Re: Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)

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Four Lions
(Regie: Christopher Morris – Großbritannien, 2011)

Der Dschihad muss her: Für den in England lebenden Muslim Omar (Riz Ahmed) gibt es ein zentrales Ziel, er will mit seinen Brüdern als Selbstmordattentäter endlich ein Zeichen für den heiligen Krieg setzen. Dumm nur, dass seine Kumpels nicht sonderlich geschickt oder helle sind: Waj (Kayvan Novak) ist zwar enorm folgsam, benutzt aber relativ hilflos Omars Gehirn gleich für sich mit, während der komplett inkompetente Faisal (Adeel Akhtar) bemüht ist, Krähen als Bombenträger abzurichten. Und dann ist da noch Barry (Nigel Lindsay), ein Brite und Konvertit, dessen Ansichten noch eine Spur absurder sind, als es extremen Fanatikern überhaupt möglich ist – so ist z.B. sein neuester Plan, die Moschee zu sprengen, weil man so ja die passiven Brüder endlich zur Aktion bringen könnte. Während Omar und Waj es sogar schaffen, aus dem Trainingscamp für Bomber in Pakistan zu fliegen, heuert Barry den noch jungen Hassan (Arsher Ali) als Verstärkung an, der seine Videobotschaften am liebsten rappt. Mit einer großen Menge Sprengstoff wollen sie sich schließlich vor den Augen des Allmächtigen rehabilitieren, was bei der allgemeinen Unfähigkeit gar nicht mal so einfach ist…

Christopher Morris, der zuvor fürs Fernsehen drehte, startet sein Featurefilm-Debüt mit etwas klotzigem Humor, der mich erst zurückschrecken ließ. Im Verlauf der Handlung werden die groben Pinselstriche jedoch stets feiner und „Four Lions“ verlässt den klamaukig wirkenden Beginn zugunsten größerer Ernsthaftigkeit. Von einer Tragikomödie würde ich noch nicht sprechen, dazu sind die Protagonisten einfach zu karg beschrieben. Man weiß kaum etwas aus ihren (Vor)leben oder warum sie sich für den Islam und sogar den Dschihad entschieden haben. Besonders krass tritt dies zutage, wenn Omars Ehefrau es anscheinend nicht weiter bedenkenswert findet, dass sich ihr Mann selbst töten will. Immerhin haben sie einen gemeinsamen Sohn. Dieser kommt auch in einer der schönsten Szenen vor, als Omar anhand der Geschichte vom „König der Löwen“ sein schiefgelaufenes Training in Pakistan erörtert.
Für die besten Sprüche sorgt Konvertit Barry, der das englische Pendant zu Pierre Vogel ist und hauptsächlich abstruse Gedanken verbreitet. Für ihn ist es auch kein Ding der Unmöglichkeit sich selbst als Rettung des Islam zu sehen und trotzdem wie ein Herrenmensch auf Pakistanis herabzublicken. (Auch die anderen in England aufgewachsenen Mitglieder der Gruppe zeigen Tendenzen westlicher Überheblichkeit.)
Die Gags sind oft genau beobachtet und decken die Idiotie religiöser Vorschriften oder gesellschaftlicher Konventionen auf, zuweilen baut man aber auch auf Zoten oder ergeht sich in brachialem Erkan & Stefan-Humor, der vor allem in der deutschen Fassung von „Four Lions“ ans Licht kommt, weil Serdar Somuncu die Rolle des Waj übertrieben schlecht und gewollt „kanackig“ synchronisiert. Die Originaltonspur ist in vielerlei Hinsicht besser.
Um einen wirklichen Volltreffer zu landen, hätte man den simplen Humor lieber durch ein paar Szenen aus der Vergangenheit der Figuren ersetzt, die ihre Wesensart erklären. So bleibt ein stellenweise extrem grotesker und lustiger Film, der hin und wieder durch eine übertrieben geistlose Dümmlichkeit unterbrochen wird. Rubber dinghy rapids, bro, rubber dinghy rapids!

Trailer: http://www.youtube.com/watch?v=2gyxZv0wxTA

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