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gypsy tail windZu Venedig habe ich mir u.a. Röschs Buch zugelegt. Der Rezensent der FAZ ist der Betreuer (Notengeber wäre richtiger, betreut habe ich mich selbst, die Note erfahre ich erst Ende Oktober) meiner grossen Abschluss-Arbeit:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezension-sachbuch-wen-die-weltberuehmte-statue-zeigt-kann-touristen-egal-sein-11309302.htmlKann später mehr dazu sagen.
Das Buch habe ich inzwischen gelesen – insgesamt sehr gut (besser als die kürzere Darstellung bei Beck in der „Wissen“-Reihe, die etwas zu stark auf Gegenwartsbezüge aus ist, wohl um das ganze etwas „sexy“ zu machen für die nicht-historische Leserschaft – aber schlecht ist auch der Band nicht, würd ich sagen). Röschs Buch ist allerdings, und das merkt man leider gegen Ende, unvollendet geblieben. Es kam mir nicht so vor, als würde viel Wesentliches fehlen – es endet 1797 mit dem Ende der Republik, der Band bei Beck geht weiter) – doch hätten die letzten Kapitel etwas redigiert werden müssen, der Text wirkt da mit sehr langen Zitaten aus Quellen und etwas knappen Kommentaren dazwischen, zudem mit einigen Wiederholungen, eben: unfertig. Man hätte Sätze zusammenziehen müssen (es kommt mehrere Male vor, dass praktisch derselbe Satz zweimal kommt, jeweils mit etwas anderer Akzentuierung oder mit einem unterschiedlichen angehängen Nebensatz). Schade, aber wo die Verlage ja eh kein anständiges Lektorat mehr machen lassen, was will man da noch erwartet. Jedenfalls ein knapper, gut leserlicher Überblick, in dem soweit ich es beurteilen kann die wichtigsten Ereignisse angesprochen werden, auch manches zum Alltag (Ernährung, Rolle der Frau und sowas, wobei „Rolle“ für die Situatoin der Frauen schon zuviel gesagt ist … übrigens zirkulierten in den Salons Europas im 17. Jahrhundert Listen mit Preisen, Beschreibungen und Angaben von „Spezialitäten“ der zahlreichen venezianischen Prostituierten).
Die Darstellung scheint mir aber gut wohlüberlegt und angemessen – Rösch fällt nicht auf den Mythos bzw. die zahlreichen Auswüchse desselben herein, beurteilt die Politik nüchtern, labert nicht übermässig von „Dekadenz“ und sowas (bringt das aber zur Sprache, weil es als Topos natürlich mit dazugehört, die angeblich gänzlich lebensuntüchtigen Adligen – mit denen am Ende gemäss Rösch tatsächlich kein Staat mehr zu machen war, aber die Gründe liegen nicht nur beim Spiel und der Prostitution und den weibischen Kleidern).
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