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motörwolf@latho
Das alles ist mir mehr oder weniger bekannt. Es ist aber in meinen Augen nicht damit getan nachzuweisen, was alles an der Politik des Deutschen Reiches falsch gewesen ist. Daß der Kaiser ein arroganter Hohlkopf unter vielen in Berlin war, geschenkt. Daß die deutsche Politik aggressiv bis zum geht nicht mehr war ebenso. Allerdings fehlt mir die Betrachtung der Gegenseite. Wie grundsätzlich anders war denn die Politik der Alliierten, daß man ihnen eine so viel geringere Schuld am Kriegsausbruch zubilligen könnte? Und warum wird Österreich nicht mehr Schuldanteil zugemutet?
Verstehe mich nicht falsch, ich will die deutsche Schuld nicht kleinreden. Aber so zu tun, als sei der Rest Europas ein Tummelplatz pazifistischer Menschenfreunde gewesen geht doch wohl an der Realität vorbei. Nehmen wir England. Dessen gewaltige Flotte diente doch keinen anderen Zielen als denen, die sich auch der Kaiser in Berlin gesetzt hatte. Der Unterschied ist vielleicht, daß England sein Weltreich 1914 bereits hatte, während die Deutschen dieses erst schaffen wollten. Und das ist nur ein Punkt.Prozentual ist die Kriegsschuld wohl letztlich wirklich nicht zu fassen. Vielleicht wäre das hiesige Sterne-System geeigneter.
Das die anderen Nationen nicht auch Schuld waren, will ich nicht bestreiten (Löwenanteile vor allem bei Serbien und Österreich), ein „Tummelplatz pazifistischer Menschenfreunde“ war das nicht, habe ich aber auch nie behauptet.
Die englische Flotte diente primär zur Verteidigung der Insel, sekundär zur Verteidigung der Handels- und Transportwege in die Kolonien, tertiär als Angriffswaffe (aber natürlich beschränkt). Die Hochrüstung der deutschen Flotte war vor allem eines: eine Provokation und eine Bedrohung Englands. „Wir zun damit nichts und wollen nur spielen“ gibt es in der Politik nicht und damals gleich zweimal nicht.
Zu Österreich: Kakanien hätte nie den Krieg gegen Serbien begonnen (also ein „Ultimatum“ gestellt), wäre es nicht sicher gewesen, dass Deutschland hinter ihm stehen würde. Man hätte also in Wien anrufen können und Hötzendorf mitteilen können, dass er nicht mit Deutschland rechnen soll – de facto wäre Wien dann gezwungen gewesen, die Sache abzublasen – dann hätte auch der Krieg nicht statt gefunden. Statt dessen hielt man Wien wohlwollend hin, lies die österreichische Armee aufmarschieren und äußerte sich selber vornehm nicht bis unter der Hand wohlwollend. Heute weiß man ja auch warum – die Aggression gegen Serbien war willkommener Anlass, den Krieg zu beginnen. Ich müsste das nochmal nachlesen, aber u.a. hatten die Militärs wohl Angst das Frankreich Deutschland beim Bevölkerungswachstum (bedeutet Kanonenfutter) überholt. Und England hatte man nach dem Überfall auf Belgien gegen sich – auch das kam nicht überraschend. Es wird gerne geschrieben, Deutschland (und die anderen europäischen Mächte) wären in den Krieg „hineingeschlittert“ – für Deutschland stimmt das nicht, da gab es lange Planungen.
Edit: und Sternebewertungen gibt es für die Handelnden nur eine mögliche: *
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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.