Re: Was liest der Forumianer im Moment?

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gypsy-tail-wind
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Weil das hier schon Thema war: Mann was hab ich mich geärgert … lief ja an sich super und was ich schrieb ist wohl auch plausibel und stringent argumentiert … bloss ging die Fragestellung in die hardcore-christliche Richtung. Sprich: es gab 312 eine Bekehrung, die „Wende“ fand 312 statt – was neutrale Literatur wie die Rosen-Biographie ablehnt und auch plausibel und unter Rückgriff auf all die einschlägigen Quellenstellen widerlegt. Die Frage lautete nach den zwei Konflikten, mit denen Konstantin sich nach der Wende zu befassen hatte – es gab allerdings insgesamt nur zwei, einen vor und einen während/nach der Wende, Irrtum ausgeschlossen. Also entweder halbgaares Unwissen (wovon ich eher ausgehe und so auch keine böse Absicht unterstelle) oder blindes Christentum (das vorausgesetzt wäre die Fragestellung dann allerdings enorm unchristlich fies – wobei viele Christen sich ja bestens auf Fieses verstehen) vonseiten des Göttergleichen (ähm, na ja, Menschen vom Sockel stürzen macht ja auch keinen Spass ;-)).

Um also die Frage, die ich auf die gestellte Weise kategorisch ablehnen musste (ich hätte das nicht mal als Maskerade durchspielen können, die christlichen Argumente sind in vielen Punkten so hanebüchen, dass ich sie wirklich auswendig hätte lernen müssen, um sie nachzuplappern – denn „Bekehrung“ ist nunmal nichts Vermittelbares sondern eine reine Glaubensfrage, die sich der historischen Betrachtung entzieht) dennoch zu beantworten, musste ich weit ausholen – drohender Vorwurf: ist ja gut, was Sie schrieben, aber schon etwas am Thema vorbei. Knapp 20% des Ganzen behandelten explizit die beiden Konflikte, die Streite nämlich der Katholiken mit den Donatisten und später mit den Arianern (wobei wohl 99% aller Katholiken in Wahrheit bis heute Arianer sind, jedenfalls alle, denen sich theologische Überspitzfindigkeiten nicht sofort erschliessen wollen … wie ist das eigentlich mit solchen Dogmen, Kanones von Bischofs-Synoden/Konzilen, gelten die generell auch in den reformierten Kirchen?)

Anyway, selbst wenn die Frage korrekt gestellt worden wäre – also ohne das „nach der Wende“, denn die ist erst 324 und als gezielte, die errungene Alleinherrschaft rechtfertigende und einbettende reichspolitische Aktion mit viel Propaganda anzusetzen – , wäre sie zu spezifisch gewesen, als dass ich sie mit der (vom Prof. abgesegneten, ähm, feines Wörtchen wieder) Literatur in der wohl geforderten Ausführlichkeit zu behandeln gewesen wäre (sprich: nach einer Stunde hätte ich die drei Seiten geschrieben gehabt). Ob mit dieser Wende auch eine innerliche, eine Bekehrung einhergeht, ist aus historischem Blickwinkel wie gesagt gänzlich irrelevant, es gibt diesbezüglich auch keine einigermassen nahen (Selbst-)Zeugenisse, die allenfalls über die Befindlichkeit des knallharten, zynischen aber gewiss ziemlich verdammt schlauen Feldherren Auskunft geben würden.

Na ja, ad acta und munter weiter …

Zu Venedig melde ich mich hier dann wieder, zum Republikanismus in Florenz (und Venedig, falls ich da auch was habe) dann privat, nail.

Danke nochmal allen für die guten Wünsche. Wie gesagt, das eigentliche Schreiben lief auch super, bloss war die Frage kreuzfalsch gestellt.

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