Re: Was liest der Forumianer im Moment?

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notdarkyet

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motörwolfPeter Longerich – Goebbels

Ich bin ziemlich enttäuscht. Umfang und Inhalt stehen in keinem guten Verhältnis zueinander. Das wesentliche, was Longerich über Goebbels zu sagen hat, wäre auch in einem kurzen Aufsatz unterzubringen gewesen. Da Goebbels im Prinzip politisch eine eher uninteressante Person war, jemand der wenig bis nichts originelles gesagt oder getan hat und dessen Werk weniger durch seinen Inhalt, sondern wenn überhaupt durch seine Form interessant ist, ergab sich wohl das Problem, daß seine Biographie ein wenig mager ausgefallen wäre, hätte Longerich sie nicht mit einer Flut unwichtiger und nichtssagender Details künstlich aufgebläht.

Kann ich so unterschreiben.

Bei Longerich habe ich den Eindruck, dass er eine doppelte Wendung vollzogen hat, seine Veröffentlichungen betreffend. Seine (frühen) Veröffentlichungen zur Rolle des Auswärtigen Amtes im NS, zu den Europastrategien des NS und der nachfolgenden BRD, sind erhaben und in Westdeutschland nicht wegzudenken in der historischen Rezeption. Die scharfe Kritik an seinem Frühwerk, die ihm die Nichtbeachtung wichtiger Dokumente und Quellen des Auswärtigen Amtes die zum Verständnis der historisch-strukturellen Organisation der Shoa notwendig sind vorwirft, hat ihn, das schreibt er selbst, zur absoluten Faktentreue bewogen. Seine im Piper-Verlag erschienene „Gesamtdarstellung“ und „Dokumentation des Holocaust“ ist unglaublich verdienstvoll und wohl sein Lebenswerk.

Dann 2008 seine in meinen Augen furchtbar hektische und verharmlosende, weil geradezu ausschließlich psychologisierende, Himmler Biographie im Siedler Verlag. Folgend dann die Goebbels-Schwarte 2010. Ärgerlich. Vor allem deshalb, weil sich diese Siedler-Trümmer immer noch in großer Zahl verkaufen und dem Gegenstand überhaupt nicht gerecht werden.

Ich habe den Eindruck, da versucht sich jemand im Verlagsauftrag an Populärliteratur (für die es in diesem Themenbereich fraglos eine nicht kleine Kundschaft gibt…) und möchte mit aller Macht die Geschichtswissenschaft „entspannen“. Schade, seine mündlichen Vorträge sind nämlich aus anderem Holz.

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