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So, wie angekündigt, ein paar Sätze zu:
Peter Nachtnebel (Hrsg.). For the Sake of the Song. Amerikas neue Songwriter. Ventil Verlag, 2009.
Als ich das Inhaltsverzeichnis gesehen habe, habe ich das Buch spontan gekauft; es füllt eine Lücke. Der Band wird eingeleitet von einem Essay des Herausgebers, der sich an einer historischen Einordnung versucht. Da es in dem Buch vor allem um amerikanischen „Indie-Folk“ geht, stellt er zuerst die Annäherung des Indie-Undergrounds der 80er Jahre an Folk, Blues und Country dar und streut ein paar Bemerkungen zur amerikanischen Kultur ein, bevor er sich der Entwicklung des Singer-Songwriters widmet. Dieser Teil des Essays beginnt mit einem guten Abriss des Folk-Revivals der 50er und 60er Jahre, schildert knapp das Hervortreten der Singer-Songwriter und den „kommerziellen Ausverkauf“ der 70er und geht dann verschiedene Vorbilder und Einflüsse der aktuellen Songwriter durch, von ehemaligen Geheimtipps wie Vashti Bunyan und Linda Perhacs bis zu Legenden wie Townes Van Zandt und Gram Parsons. Mir gefällt die kritische Perspektive des Textes, bei der die Indie-/Hardcore-Sozialisation des Autors durchscheint (jedenfalls habe ich diesen Eindruck); er ist aber oft sprunghaft und assoziativ und mindestens an einer Stelle ist die Chronologie durcheinander geraten. Als Gemeinsamkeit der im Buch versammelten Künstler wird das „Telling it like it is“ behauptet.
Die zwölf Künstlerporträts, die darauf folgen, sind von unterschiedlicher Qualität und viele davon sind eher okay oder solide zu nennen als hervorragend. Manche der Texte sind aber sehr gut, z.B. der von Martin Büsser über Bright Eyes: gedankenreich und streitbar. Hervorragend ist auch Jörg Schellers Porträt von Ani DiFranco: Es gelingt ihm vortrefflich, ihre künstlerische Haltung darzustellen. Gut gefallen haben mir auch Ewald Schreibers emphatische Annäherung an das Werk Will Oldhams (Schreiber legt den Fokus auf die lyrics) und Gunnar Klacks Aufsatz über Devendra Banhart, der schön analytisch ist. Enttäuscht war ich von dem Text über Cat Power: Christoph Jacke recycelt ein zehn Jahre altes Interview, das er mit Chan Marshall geführt hat, und ein paar Thesen von Martin Büsser über „die Stärke der vermeintlichen Schwäche“; sein Beitrag ist frei von originellen Einsichten, oberflächlich und im schlechten Sinne akademisch. Weniger ergiebig als von mir erhofft ist der Text über Nina Nastasia. Er ist sicherlich willkommen, weil es bisher nur sehr wenig über sie zu lesen gibt, aber ihre Musik ist hier im Forum von Carrot Flower schon besser charakterisiert worden als es Matthias Rauch in seinem Beitrag gelingt. In formaler Hinsicht auffällig ist der Beitrag über Lambchop: Christian Riedel wählt eine fragmentarische Darstellungsweise und reiht Beobachtungen und Einfälle zu den Alben aneinander. Man merkt zwar, dass er sich gründlich mit dem Lambchop-Werk befasst hat, aber sein Text wirkt auf mich ein bisschen unfertig. Dafür ist seine Diskographie von allen hier die ausführlichste, wenn man die Anmerkungen mit einrechnet (noch vor Will Oldham, der doch die meisten Platten veröffentlicht hat).
Insgesamt habe ich das Buch ganz gern gelesen, aber ich bin nicht begeistert davon. Es ist durchaus empfehlenswert, wenn man sich für viele der hier behandelten Künstler interessiert, so wie ich es tue, aber es könnte besser sein.
mojoclub@go1: bin grad dabei. und irgendwie hin- und hergerissen. das buch liest sich ganz ordentlich, vermengt die lebenslaeufe der einzelnen musiker mit der entwicklung der folkszene der letzten jahre. am ende ist jeweils eine ausfuehrliche diskographie angegeben und zwischendrin tauchen immer noch die ein oder anderen interessanten namen anderer musiker auf. insofern ist es gut, wenn man auch noch auf der suche nach aehnlichen interpreten ist.
andererseits habe ich an manchen stellen das gefuehl gehabt, dass der ein oder andere autor anderweitig abgeschrieben hat. tatsaechlich findet man viele infos auch anderswo. und gerade was die musikhistorie betrifft sind da schon ein paar seltsame gedankengaenge bei gewesen. aber ich bin noch nicht durch und vielleicht lese ich es gleich nocheinmal. schliesslich gibt es nicht allzuviel literatur ueber dieses thema.
An welchen Stellen bist Du denn stutzig geworden?
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To Hell with Poverty