Re: EELS

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sokrates
Bound By Beauty

Registriert seit: 18.01.2003

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Aus dem Musikalischen Tagebuch:

SokratesEels – Daisies Of The Galaxy

Onkel TomDazu würde mich deine Meinung interessieren.

SokratesDie Eels und ich stehen in einer wechselvollen Beziehung zueinander. Das Debut „Beautiful Freak” gehört zu den besten Debuts ever (****1/2), vor allem wegen der gleichzeitig gefälligen, aber doch auch leicht schrulligen Musik – eine sehr reizvolle Kombination.

Der Elektro-Shock-Blues schockte auch mich: Er klang musikalisch wie ein Abklatsch des Debuts, und war textlich so depressiv, dass es kaum erträglich war; ich ließ es stehen.

Da hatten es die Gänseblümchen nicht leicht. Bis heute ärgere ich mich zudem, dass ich damals, in einem lächerlichen Anfall von Sparwahn, nicht das ungleich schönere Digipack kaufte – woran ich jedesmal denken muss, wenn ich das Album heute auflege.

Gemessen an dieser Vorgeschichte sind sie prächtig gediehen. Es gibt nicht so viele Highlights wie auf dem Debut, aber es ist mein zweitliebstes Eels-Album geworden, auf hohem Niveau ausgeglichen, niedlich irgendwie, die Depression einem gesunden Sarkasmus über die Absurditäten des Lebens gewichen, mit „Grace Kelly” und „I Love Birds” als Favoriten. ****

Vom Schock habe ich mich inzwischen auch erholt, das Album wurde nachgekauft und hat sich bei soliden ***1/2 eingependelt.

dr.musicSchau her, Sokrates, da sind wir uns einig: Das Debut vor den „Daisies“.:-)

Sokrates:bier:

Danach kamen teilweise schlimme Sachen, die „Souljacker”-LP etwa, mit Vollbart und Gitarren, die wie Rasierapparate klangen. Brrr!

dr.musicFindet die „Blinking lights and other revelations“ vor Deinen Ohren auch keine Gnade!??

SokratesDoch, die war wieder besser (aber zu lang.), und kommt weder ans Debut noch an Daisies heran. :bier:

Onkel TomDanke für deine ausführliche Stellungnahme.
Bei mir liegt „Daisies“ sogar vor dem Debüt. Sicher ist dieses etwas abwechslunsreicher, dafür reiht sich auf „Daisies“ eine Pop-Perle an die nächste. Habe bei Alben aus der „Neuzeit“ selten mit so viel Genuss von vorne bis hinten durchgehört. Für mich gaaaaanz nahe am perfekten Pop-Album. Bei „Electro-Shock-Blues“ war ich noch nie geschockt. ;-)
Sicher wird hier dies und jenes etwas wiederholt, was auf dem Debüt bereits stattfand. Trotzdem eine Wiederholung auf hohem Niveau. Gefällt mir daher auch nur unwesentlich weniger.
Deine Meinung voll teilen kann ich dann aber bei „Souljacker“, welches von den vier Alben die ich besitze, dass mit Abstand schlechteste ist. Die eingestreuten „Rasierapparate“ stören auch mich bis heute. Auch mangelt es an den schönen Melodien, die auf den anderen genannten Alben zur Genüge vorhanden sind.

IrrlichtAuch ich schätze das Debut der Eels sehr. „Beautiful freak“ verbindet schlüssige Arrangements, mit mal traurig-tröstenden, dann aber auch fast wieder euphorisch anmutenden Melodiebögen. Natürlich wird sich Everett nie ganz der melancholischen Seite abwenden, wie könnte er auch ? Die Biography liest sich mehr als tragisch. Und so klingt auch „Electro-shock blues“. Diese stellt an sich nicht den Anspruch der frohlockenden Nachmittagsunterhaltung, sondern wühlt tief in der eigenen Geschichte. Ich würde es als Album der Verarbeitung bezeichnen. Im Grunde auch eine Art Konzeptalbum, obwohl mir jedes Album der Band in sich schlüssig bzw. geschlossen erscheint. Und natürlich sind auch auf letzterem Album große Melodien zu finden, ich denke gerade bspw. an das wunderbare „Last stop: this town“ oder „P.S. You rock my world“ (welcher übrigens mein insgeheimer Eels-Favorit überhaupt ist – bei der Zeile „and maybe it’s time to live“ kommen auch mir, ob der Tragik, wie auch Untermalung, glatt die Tränen). Womöglich stört man sich an der emotionalen Monotonie (überdies ist es für mich keineswegs „depressiv“ – vielleicht etwas hoch gegriffen oder, Sokra ?), als „abwechslungsreich“ im herkömmlichen Sinne sehe ich „ESB“ nicht an. In dieser Hinsicht liegt das Debut „Beautiful freak“ weit vorne, auch wenn das „Großwerk“ „Blinking lights and other revelations“ mit einer mindestens ebenso vielfältigen Bandbreite aufwartet und alles andere als vernachlässigenswert ist.

„Daisies of the galaxy“ ist wiederum der Schritt in wärmere Gefilde, weg vom trost und orientierungslosen, hin zum gefälligen, sonnigen Sandstrand. Oder Wiesenhang. Auch wenn es lange dauerte halte ich es mittlerweile, wie auch Tom für ihrer beste. „Daisies“ ist in der Tat nahe am perfekten Pop-Album. Eine wunderbare Melodie reiht sich an die Nächste, unter der weitflächigen Soundschicht verbergen sich allerlei weitere, mal kleinere, mal größere, Überraschungen.

Ganz den MOE kann ich zwar nicht geben, aber für unglaublich schwächer halte ich auch „Souljacker“ nicht. Letzteres geht neue Wege, baut die eine oder andere Wuchtnummer ein, behält sich die aber dennoch z.T. wunderbare Melodien (was ist bspw. mit dem großartigen „Woman driving, man sleeping“ oder dem traurigen „World of shit“ ?). „Souljacker“ hat einige tolle Songs, aber eben auch ebenso viele, die nicht über das Prädikat „Mittelmaß“ hinausreichen. Alles in allem aber mitnichten ein schlechtes Album, bei mir irgendwo zwischen hörenswert (*** 1/2) und gut (****). Ach ja: Die „härteste“ Nummer – „What is this note ?“ liebe ich nach anfänglicher Skepsis mit am meisten. Das Ende, wie der Orkan zerfassert, die Stimmung ins Bedächtliche schwankt, man schlussendlich doch versöhnt wird – ganz wunderbar. Echt.

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„Weniger, aber besser.“ D. Rams