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Es ist so eine Sache… ich habe den Niedergang des letzten exklusiv auf Jazz & Blues spezialisierten Ladens in Zürich einigermassen miterlebt (war sogar auf dem Bild in der Zeitung, weil ich genau dann drin stand, als der Photograph kam, der das Bild für den Nachruf schoss).
Das war sehr schade, ein paar „aber“ kann ich dazu leider jedoch nicht unterlassen. Die Dame, die den Laden geführt hat, und zweifellos viel über Jazz weiss (sie ist inzwischen in einer anderen Fachhandlung in Zürich untergekommen, das jedenfalls mein neuster Wissensstand), hatte einige blinde Flecken und in der Preisgestaltung manchmal ein enorm unglückliches Händchen. Gut, das waren die Zeiten, als Doppel- und Tipel-CDs auch doppelt und dreifach so viel kosteten wie Einzel-CDs… aber wenn z.B. die damals allgegenwärtigen „Original Jazz Classics“ bei ihr 33 Franken (beim Einführungskurs 22 €) kosteten, im übrigen (einigermassen) Fach-Handel allerdings nur 20-23 Franken, dann war klar, dass niemand die Dinger bei ihr gekauft hat. Hätten sie einen Franken mehr gekostet, okay – ich hätte sie dort gekauft, um den Laden zu unterstützen, aber ein Drittel teurer? Nein danke! Es geht mir dabei nicht darum, dass ich alles immer zum billigsten Preis kriegen kann und will… es gibt eine ganz wunderbare Buchhandlung in Zürich, in der ich fast alle meine Bücher kaufe, egal ob ich sie bei Amazon 20% billiger kriegen könnte. Der Laden ist so toll, dass ich keine Sekunde an mögliche Ersparnisse denke. Einen Musik-Laden, der vergleichbar toll ist, habe ich Zürich leider nie erlebt (es gibt noch ein paar wenige, die knapp davor sind… aber die Preisunterschiede sind so lächerlich – heutzutage kann eine CD locker doppelt so teuer sein, wie wenn ich sie mir direkt aus den USA kaufe und den Versand auch noch miteinrechne).
Wie gross die „Schuld“ der Vertriebe an dieser unsäglichen Preispolitik ist, kann ich nicht beurteilen, aber ich befürchte sie sind nicht unschuldig. Zuviele Hände scheinen mitzuverdienen, bis das Produkt endlich auf der Ladentheke ladet. Zudem sind die Margen der Grossen (Mediamarkt etc) so klein, dass es sich für kleine Händler (so hat einer neulich erzählt) sogar mit kleinem Gewinn lohnen würde, wenn sie ihre zehn Exemplare einer Neuerscheinung verkauft hätten, sich zehn Exemplare im Mediamarkt zu kaufen und diese als die eigenen, unverkauften dem Lieferanten zu retournieren.
Da kann etwas einfach nicht mehr stimmen, oder?
Was nun Vinyl betrifft… mich dünkt beim derzeitigen kleinen Hype (der immerhin dazu führt, dass einzelne grössere Traditionsläden in Zürich plötzlich wieder Vinyl führen, selbst der Mediamarkt hat einen Meter oder so im Angebot) wird so viel Schrott (Counterfeits, überteuerte Boots) angeboten, dass mich schon ein oberflächliches Stöbern in der Vinyl-Ecke sofort in die Flucht treibt. Wenn ich da Jazz-Alben mit falschen Covern, fetten 180Gramm-Klebern und irgendwelchem Gelaber von wegen „Mastered from Analogue Sources“ oder so sehe, und die Dinger dann um die 35€ kosten… nein danke!
Den gut sortierten Musikfachhändler, der solche Sachen durchschaut und sie stattdessen bemüht, die LPs im Laden zu haben, die von anständigen Labeln kommen, der muss hier erst noch erfunden werden…
Im CD-Segment sieht das genau so düster aus… schönstes Beispiel ist immer noch ein Kollege, der in einem der altehrwürdigen Häuser hier Nat Coles „Complete After Midnight Sessions“ von Capitol haben wollte… stattdessen für 30 Franken oder so einen spanischen PD-Reissue kriegte. Zwei Monate später lag die Capitol-CD wieder für 10 Franken in den Grabbelkisten rum… aber unser guter Handel verkauft lieber PD-Schrott, der scheisse klingt, scheisse gelayoutet ist… also mögen sie in die Hölle fahren, eine halbe Träne kriegen sie von mir nachgeweint, aber viel mehr ist da nicht.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: Johnny Dyani (1945–1986) - 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba