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Auf den ersten Blick macht die neue Platte von BAP zunächst einmal argwöhnisch : 30 Jahre BAP und schon wieder eine, zwar neu eingespielte, aber dennoch „nur“ Best-Of-Sammlung ? Reichte die „Wahnsinn-Kopplung“ mit nur zwei neuen Titeln von 1995 oder die quasi Akustik-Sessions der „Tonfilm“-LP mit etwas höherer Neulied-Quote aus dem Jahre 1999 nicht ? Fällt Niedecken nichts Neues mehr ein ? Gingen die Lichter bei BAP nicht bereits vor einigen Jahren, aber spätestens mit dem Ausstieg von Klaus Heuser aus und ist somit das 30-jährige Jubiläum nur an den Haaren herbeigezogen ?
Zumindest ein Teil der offenen Fragen lässt sich mit der Platte „Dreimal zehn Jahre“ beantworten, wenn man das Selbstverständnis des Bandchefs heranzieht, der BAP seit jeher vorwiegend als Band um Wolfgang Niedecken herum sieht. Und dieses Konzept scheint aufzugehen. Nachdem sich die Neu-Neu-Mitglieder ( in diesen schnelllebigen Zeiten sind die ja auch schon eine kleine Ewigkeit dabei…) Kopal, Nass und vor allem Helmut Krumminga etabliert und eingewöhnt haben, ja, sich förmlich freigespielt haben vom „Heuser-Syndrom“, merkt man : Hier ist eine Band, die zusammenarbeitet, und Spaß dabei hat. Von daher ist festzuhalten, dass Wolfgang Niedecken´s BAP auch nach der „Major-Ära“, die unangefochten eine wichtige der Bandgeschichte gewesen ist, weiterexistiert. Und soviel ist klar : Die Band macht ihre Sache gut. So hat man es sich zum Jubiläum keinesfalls einfach gemacht, nicht auf die Schnelle die zahlreichen Hits aus den Original-Alben zusammengefegt und auf eine Doppel-CD gepackt, sondern ist das Wagnis eingegangen, sich quasi selbst zu covern, die Auswahl mancher etwas in die Jahre gekommenen Stücke teilweise mit Gästen komplett neu einzuspielen. Das dem Einen oder Anderen die Wahl der Lieder etwas unverständlich und/oder unvollständig erscheint, liegt in der Natur der Sache. Was hat z.B. das schon auf dem Original-Album überflüssige „Time Is Cash, Time Is Money“ auf dieser Platte zu suchen ? Da helfen auch die Faxen von Culcha Candela nicht weiter, es wird einfach nicht besser. Und warum fehlt dieser Scheibe ein so essentieller Titel wie „Bahnhofskino“ ? Ganz zu schweigen von den ungezählten weiteren Tracks wie z.B. „Wat Usser Rock´n´Roll“, „Chippendale Desch“, den Uralt-Titeln „Sinntflut“, „Stell Dir Vüür“ oder gar „Waschsalon“, deren Bearbeitung und Neueinspielung sicher auch interessant gewesen wäre.
Nun gut. Man kann nicht alles bekommen und BAP haben sich nun einmal für die vorliegenden Titel entschieden. Das Ergebnis ist insgesamt als sehr gelungen zu bezeichnen. Das neue Stück „Dreimohl zehn Johre“ eröffnet die Platte und plakatiert die Band-Geschichte der zurückliegenden 30 Jahre in kurz aufeinander folgenden Bildern, und schafft so einen Rahmen für die folgenden Lieder. Durchweg wirken die Aufnahmen auch in ihrer jetzigen Form noch stimmig und eigenständig. Nie kommt der Verdacht auf, hier wurde alter Wein in neue Schläuche gefüllt. Im Grunde könnten alle Titel aus der Jetztzeit stammen, man hört ihnen das zum Teil hohe Alter nicht zwangsläufig an. Besonders schön daran ist, dass die meisten Stücke durch die Bearbeitung eine Aufwertung erfahren haben, ohne das Original zu beschädigen oder gar obsolet erscheinen zu lassen. Dies gelingt beispielsweise bei so elementaren Stücken wie „Ne schöne Jroos“ ganz hervorragend, indem man mit dem Ohr im Kopf den kraftvollen Heuser´schen Stil sofort wiedererkennt, bei dieser Aufnahme aber auch in vollen Zügen die wunderschöne Gitarrenlinie von Helmut Krumminga genießen kann. „Verdamp lang her“ funktioniert mit Thomas D. auf hochdeutsch erstaunlich gut. Dasselbe trifft auf Wolfgang Niedecken allerdings überhaupt nicht zu, sowas bitte nie, nie wieder, Herr Niedecken !
Wie „Frau, ich freu mich“ zur ersten Single-Auskopplung werden konnte, bleibt schleierhaft, da dieses Stück gegenüber der Original-Version spürbar abfällt. Es ist zu weich geraten, die ursprünglich treibende Kraft blieb dabei auf der Strecke. Auch „Wellenreiter“ gewinnt in der neuen Fassung nicht. Die Dichte der sparsamer instrumentierten Original-Fassung geht bei der zurückgelehnten Reggae-Version auf dieser Platte leider fast gänzlich verloren.
“Kristallnaach“ dagegen hat noch mehr an Kraft und bedrückender Mächtigkeit gewonnen, was neben der tollen, neuen musikalischen Umsetzung, auch an der hervorragenden gesanglichen Unterstützung von Laith Al-Deen liegt. Brillant, was BAP aus diesem Klassiker gemacht haben ! Ähnliches gilt für den Live-Kracher „Nemm mich mit“, der sicher nicht einen so hohen Klassiker-Status verzeichnen kann, nun aber in einer weiteren und gegenüber der auf „Tonfilm“ veröffentlichten Version gelungeneren Studio-Fassung vorliegt. Eher durchschnittlich, und vom Original nur unwesentlich abweichend stellt sich „Ahl Männer, aalglatt“ dar, aber das Stück fällt dadurch nicht unangenehm auf. Einen Tick intimer wurde die Neuaufnahme von „Alles em Lot“. Dafür sorgen die genau an die richtigen Stellen gesetzten Bläsertupfen und die gegenüber dem Original klarer wirkenden Gitarrenlinien.
Die Idee, einige Lieder mit Gästen im Duett aufzunehmen erweist sich als wahrer Glücksgriff. Hervorzuheben sind dabei die Titel „Paar Daach fröher“ ( Meret Becker ), „Lena“, ( Martha von Die Happy ), bei dem man die flirrende Hitze regelrecht spüren kann, und nicht zuletzt das wunderschöne „Dir allein“ mit Xavier Naidoo. Man mag ja von Naidoo halten, was man will, aber singen kann er.
“Rita, mir zwei“ mit Duettpartner Hubert von Goisern funktioniert nicht ganz so gut, die unterschiedlichen Dialekte scheinen sich nicht unbedingt zu vertragen. Launig bleibt das Stück allemal. In praktisch völlig neuem, jazzigen Grundgerüst kommt „Amerika“ daher. Es ist und bleibt ein Meilenstein der Bandgeschichte. Schade nur, dass BAP hier den lauten Refrainteil fast unverändert übernommen haben, hier wünscht man sich eine zur Gesamtkonzeption des Stücks passendere Sequenz.
“Nix wie bessher“ wirt trotz sparsamerer Veränderungen gegenüber dem Original entspannter und frischer, kommt knackiger als dieses daher. „Hollywood Boulevard (Cellulloid Heroes)“ mit Ray Davis ist zwar eine schöne Hommage an das Idol, bleibt aber insgesamt eher belanglos. Den Titeln „Unger Krahnebäume“ und „Rövver Noh Tanger“ hört man an, das ihre Originale noch relativ neueren Datums sind, die Band hat diesen Stücken momentan anscheinend noch nicht viel hinzuzufügen, sie stehen vorerst nur leicht verändert da.
Mit „Nähxte Stadt“ schließt sich der Kreis zum Eröffnungsstück In diesem ebenfalls neuen Track versteht es die Band, noch einmal abschließend für gute Laune zu sorgen. Hieran schließt sich nur noch der Bonus-Track, bei dem kein Geringerer als Herbert Grönemeyer ein vertontes Gedicht als Geburtstagsständchen zum Besten gibt.
Insgesamt bleibt zusammenfassend zu sagen, dass BAP es mit „Dreimal zehn Jahre“ geschafft haben, zum Bandjubiläum eine „Best Of“-Platte herauszubringen, ohne dabei peinlich zu werden. Das Album eignet sich sowohl für Fans ( auch jene, die sonst schon alles haben ), als auch für Einsteiger, deren Interesse vielleicht erst durch die zahlreichen Gastauftritte „aktueller“ Künstler ( innen ) geweckt wird. Abschließend sei Herrn Niedecken für die nächsten 30 Jahre mit auf den Weg gegeben : Kein Hochdeutsch mehr ( ! ) und wieder mal Frauenstimmen auf regulären Alben. Und nun : BAP, jeff Jas !
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