Re: Element of Crime – Mittelpunkt der Welt

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djrso
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DJ@RSO, Moderator, Erfasser

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Es ist schön, dass es im Leben noch Dinge gibt, auf die man sich verlassen kann. Noch schöner ist, dass Element Of Crime mit ihrer neuen LP ganz eindeutig eine solche Verlässlichkeit darstellen, da die Gruppe zum Glück auch auf dem aktuellen Werk keine grundlegenden Stiländerungen vorgenommen hat. Man begeht keinen Fehler, wenn man „Mittelpunkt der Erde“ als eine hervorragende Herbst-Platte bezeichnet, auf der es Sven Regener in gewohnter Manier auf das Beste versteht, Melancholie in wunderbar einfache und schöne Worte zu fassen. Das Erstaunliche dabei ist immer wieder, das selbst so banale Feststellungen wie z. B. „Es tut weh, wenn ein eiskalter Fuß an ein Hindernis stößt“ ( „Wenn der Winter kommt“ ), die bei anderen deutschsprachigen Künstlern schnell platt oder belanglos klingen würden, hier auf sehr sanfte Art eine Bedeutung erhalten. Mal ganz abgesehen von Perlen der Wortkunst wie z.B. „Kindheitserinnerunswälder“ ( „Wenn der Winter kommt“ ) und „wo die Neurosen wuchern, will ich Landschaftsgärtner sein“ ( „Straßenbahn des Todes“ ). Und warum kam bisher noch niemand auf so eine umwerfend brillante Umschreibung wie „orangener Held der Entsorgung“ ( „Im Himmel ist kein Platz mehr für uns zwei“ ) für den meist von uns oft so wenig beachteten Müllmann, den man erst zu vermissen lernt, wenn er einmal nicht kommt ? Das ganze Album quillt quasi über mit solch herrlichen Formulierungen, die hier gar nicht weiter aufgezählt werden sollen. Am Besten funktioniert Regeners Poesie ohnehin in der Gesamtheit des jeweiligen Liedes, jedes Herausgreifen aus dem Kontext beeinträchtigt das filigran gewobene Wortmuster. Die Grundstimmung der Platte ist, wie schon gesagt, melancholisch-herbstlich gehalten, lässt jedoch immer wieder mal ein schelmisches Augezwinkern durchscheinen, wie man es von Element Of Crime gewohnt ist. Die musikalische Umsetzung kann bei jedem Stück als nahezu perfekt angesehen werden. Klare Gitarren, strahlende Tropetenklänge, sparsam gesetzte Orgeltupfen, zarte Streicher und Bluesharp, die alles zusammenhaltende Rhythmusabteilung, ein glänzendens Arrangement, das alles ist schlicht und einfach die passende Umgebung für Regeners Lyrik. So schwelgt der Zuhörer 43 Minuten, die einfach viel zu schnell vergehen, in herzerwärmenden Melodien und Versen. Noch schöner ist das Ganze natürlich, wen wundert´s, wenn man die Liebste ganz dicht bei sich hat und möglichst noch ein wärmendes Kaminfeuer im Hintergrund knistert. Kurz und gut : Diese wunderschöne Platte beinhaltet erstklassiges Songmaterial, inklusive einiger hochkarätiger Liebeslieder. Als Highlights sind die Tracks „Delmenhorst“, „Wenn der Winter kommt“, „Im Himmel ist kein Platz mehr für uns zwei“, „Finger weg von meiner Paranoia“, „Die letzte U-Bahn geht später“ und, als schönstes Stück, der Titeltrack zu nennen, der alle anderen Lieder überragt : „Wo Deine Füße steh´n, ist der Mittelpunkt der Welt“. Dem ist nur noch die Höchstwertung von ***** hinzuzufügen.

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Doe maar gewoon... dan doe je al gek genoeg!