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Anonym
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@ sokrates: Ich möchte versuchen, meine Einwände gegen statistische Herangehensweisen bei der Musikbewertung noch einmal präzisieren:
Eine Platte, die von neun Leuten mit ***** besternt wird und von einem mit *, ist statistisch besser als eine, bei der es umgekehrt ist. Aber selbstverständlich sagt das nicht im geringsten irgendetwas aus. Die einzelnen subjektiven Werturteile addieren sich eben nicht zu einer Intersubjektivität auf (die womöglich irgendwann gar in so was ähnliches wie Objektivität umschlagen könnte). Ästhetische Werturteile lassen sich nicht durch demokratische Verfahren fällen. Wäre es anders, dann müsste man Scott Walkers späte Meisterwerke unweigerlich als Schrott abtun, wohingegen Silbermond grßartig wäre. Selbstverständlich kann man diesen Standpunkt einnehmen – man kann ihn bloß nicht statistisch erhärten (und ich persönlich halte ihn für Stuss und nehm jemanden, der ihn vertritt, in ästhetischen Fragen nicht mehr ganz für voll). In diesem Sinne spricht auch Popularität, also Massenakzeptanz, weder für noch gegen ein Kunstwerk.
Ferner sagt selbstverständlich die Tatsache, dass ich eine Platte öfters höre als eine andere, nichts aus über ästhetische Wertigkeiten, allenfalls über ästhetische Beschaffenheiten. Beispiel „The Drift“ – natürlich höre ich die nicht so oft, die Platte ist herausfordernd, sie verlangt mein ganze Aufmerksamkeit und Konzentration. Sie anzuhören, ergibt nur Sinn, wenn die Rezeptionsumstände passen, sprich, wenn ich mich voll hineinwerfen kann. „Something Else“ von Cannonball Adderley höre ich seit vielen Jahren regelmäßig und relativ oft. Ich liebe die Platte. Und ich gestehe: Manchmal läuft sie einfach im Hintergrund oder beim Frühstück. Nicht, dass sie seicht wäre – aber sie sperrt sich nicht so aggressiv gegen eine oberflächliche Nutzung.
Du findest es konsequent, wenn diejenigen, die Dein statistisches System kritisieren, ganz die Finger vom Besternen ließen.
Womöglich hast Du da zumindest teilweise recht. Ich persönlich habe ja mit dem Besternen so meine Probleme, ich finde, die „Qualität“ eines Kuntwerks lässt sich nicht so einfach „herunterrechnen“ auf eine Fünf-Sterne-Skala, und mir fielen da zur Not noch eine ganze Reihe weiterer Einwände ein.
Als Hilfskonstrukt zur schnellen Verständigung, zur Absteckung vn Werturteilsclaims, zum zackigen Austausch von Empfehlungen usw. finde ich die Sterne aber sehr brauchbar, und wenn „atom“ oder „tops“ einer Platte fünf Sterne gibt, ist das eine Information, der ich gerne näher nachspüre (übrigens auch, wenn zehn andere Leute * vergeben – siehe oben).
Sterne haben auch was für sich, okay. Aber damit hat sich’s für mich. Und eine eherne, erbarmungslos unaufhaltsam bis ins tiefste statistische Herz der Finsternis vordringende Konsequenz macht’s aus meiner Sicht nicht besser, sondern schlechter.
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