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Tut mir leid, die Antwort mußte etwas auf sich warten lassen, ich kam nicht so schnell von der Arbeit los wie gedacht. Nun:
Zu Pasolinis 30. Todestag liefen einige seiner dokumentarischen Filme auf 3sat, ua. der genannte „La Rabbia“, meiner Meinung nach Pasolinis persönlichstes Stück Celluloid. Seitdem ist immerhin „Comizi d’amore“ als eigene DVD auf dem Label der anderen, zweitbesten Berliner Videothek „Filmgalerie 451“ erschienen, dt. Titel „Gastmahl der Liebe“. Einiges, wie zB. „Le Mura di Sana“ ist als Bonus-Feature an Spielfilme gehängt worden (hier: Der „Raro Video“ Release von „Medea“). Alle seine sehenswerten Kurzfilme befinden sich in der „Les années 60“ – Box des Centre National de la Cinématographie. Sämtliche Spielfilme, die nicht als deutscher Release vorliegen (sei es „Arthaus“ oder eben Filmgalerie) bekommst du als britischen Release über „Tartan“ oder das British Film Institute. Schau‘ mal, was du bekommst, den Rest kann ich dir sehr gerne ausleihen.
Salò: Natürlich fertiggestellt, wenngleich die Premierenfassung gut zwanzig Minuten länger gedauert haben soll, was allerdings nicht letztgültig verbürgt ist. Alleine schon evident sichtbar am Pasolini eigenen streng beherrschten Schnittrhythmus. Ist ja schon eine Gewalttat für sich, daß sich die rohen, unmitelbar aufgenommenen Bilder mit der durchdachten äußeren Form der Postproduktion beißen. Hat mich bei jedem Wiedersehen immer mehr umfangen und schockiert. Lesenswert übrigens das vom BFI herausgegebene Bändchen zum Film, geschrieben von Gary Indiana. Überdies zu empfehlen: Enzo Sicilianos Standardwerk zu Pasolinis Vita, die gute niederländische Filmdoku von Philo Bregstein (engl. Verleihtitel: „Whoever Says The Truth Shall Die“ und ganz besonders das sehr ausführliche Begleitheft zur 2005er Pasolini Retrospektive im Berliner Arsenal Kino. Die haben meiner Meinung nach mittlerweile zu einer ganzen Reihe von Regisseuren die jeweils beste Publikation in deutscher Sprache verfasst, stets eine Sammlung aus Interviews, eigenen Filmanalysen und rezeptionsgeschichtlich klug ausgewählten Kritiken. Sicherlich über die Seite des Arsenals beziehbar.
Romane: Pasolini malte, filmte, schrieb Romane, kunstgeschichtliche Essays, Gedichte, politische Betrachtungen, Zeitungskolumnen. Würde man Laura Betti, seine Muse und eine der wenigen Freunde auf intellektueller Augenhöhe fragen, hat er vermutlich auch noch Schafe gehütet, Häuser gebaut und eine Schulklasse unterrichtet. Keine Ahnung, jedenfalls: Von seinen Romane empfehle ich besonders zwei Stück. „Vita Violenta“, das die Themen der frühen Pasolini Filme gebündelt vorweg nimmt. Und „Petrolio“, ein 700-seitiges Fragmentmonstrum, ideologische Weiterführung von „Teorema“ sowie eine grausige Phantasmagorie, die noch „Salò“ in den Schatten stellt. Eines der unfaßbarsten Bücher, das ich je gelesen habe, trotz seiner Unfertigkeit.
Noch was zu Pasolini? Ach ja: In Carlo Lizzanis geilem Italowestern „Requiescant“ spielt er einen mordenenden Priester!
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A Kiss in the Dreamhouse