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Sebastian Frank
Ein vorsichtiges Statement: ich distanziere mich von jeglicher Musik aus dieser Zeit, die mit dem Stempel NDW versehen wurde.
Nur gut, daß Du dabei so vorsichtig vorgehst…
Zur Begriffsbestimmung der „zwei Güteklassen“ der NDW hatte ich bereits vor einiger Zeit in diesem Thread mit einigem Quantum an Verve etwas beigetragen…
Es wäre zu einfach, „NDW“ über einen Kamm zu scheren, denn so wie fast jede industriell hergestellte vergorene Traubenplörre als „Wein“ in den Handel gelangen darf, so wurde auch jedes noch so belanglose Liedgut, das in deutscher Sprache vorgetragen wurde, seinerzeit (zur Totentanz-Zeit dieses Booms) als „NDW“ verhökert. Kein rein deutsches Phänomen – aber hierzulande ein brutal schwerwiegendes. Sicherlich wurde uns zu einer gewissen Zeit auch vollkommener A.O.R.-Schrott von internationalen Acts, wie z.B. Wang Chung („Dance Hall Days“), Real Life („Send Me An Angel“) oder gar Living In A Box oder Picnic At The Whitehouse noch als „(New) Wave-(Pop)“ angedreht. Und spätestens 1984 hatten ehemalige „Wave“-affine Kapellen wie U2 und Simple Minds aber sowas von vollkommen diesen Status verloren. Was dies alles mit der deutschen Variante zu tun hat? Lief gleichermassen ab – aber nur noch fatal drastischer (auf hiesige Verhältnisse umgelegt). Ohne Nena, Markus, UKW und dem „Skandal im Sperrbezirk“, sowie dem Auftauchen von stinkbräsigen Rockmuckern auf „NDW“-Compilations (sic!) hätte sich auf diesem, auf dem ausgetrockneten deutschen Pop-Boden der Siebziger gerade erst zartblühende Pflänzchen der Hilsbergschen Deutung(shoheit, harhar…), nämlich auf längerfristige Sicht gesehen eine deutsche Musikszene aufbauen können, die ohne Exotenstatus (im „Konkurrenz“-Vergleich zu internationalen Acts gesehen) sich hätte etablieren können. So werden die musikalischen Werke von z.B. Malaria!, DAF, Palais Schaumburg, Der Plan, X-mal Deutschland, etc. trotz einigem bescheidenen Erfolges heutzutage immer noch als „wundersam“, „krass“ und/oder wahlweise „einzigartig“ oder gar „peinlich“, bzw. „substanzlos“ eingestuft. Und das gerade von Zeitgenosssen, die sich mächtig was auf ihre musikalische Bildung, nun, einbilden…
Sprich, die deutsche Musikszene hat diese einzigartige Chance der Jahre (ca.) 1979-1983 nicht genutzt, bzw. sinnverfälscht in die Jetztzeit übertragen. Natürlich zehrt die deutsche Musiklandschaft noch immer (mehr oder weniger) aus den Errungenschaften der NDW-Zeit, aber daß immer wieder diese deutschen Künstler seit längerer Zeit hierzulande als Kritikerlieblinge verhätschelt werden, die sich am stärksten an den „Kernländern“ der Pophistorie orientieren, ist eigentlich im Grunde eine Bankrotterklärung eigenständiger deutscher Popmusik!
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I mean, being a robot's great - but we don't have emotions and sometimes that makes me very sad