Re: Neue Deutsche Welle und/oder was dazu gehört

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herr-rossi
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Sebastian FrankNun, hier könnte man anknüpfen. Nena-Songs sind immerhin peinlich, habe beim Durchsehen eben noch die scharfsinnigen Lyrics von „Knutschfleck“ studiert (danke, Franz!).
Ein vorsichtiges Statement: ich distanziere mich von jeglicher Musik aus dieser Zeit, die mit dem Stempel NDW versehen wurde.

Ein Zitat aus meiner Forumsfrühzeit hast Du da ausgegraben, interessant. Was Du im gegenüberliegenden Thread geschildert hast, hat schon seinen Sitz in der Realität. Mir würde es auch vor ü35-Feten grauen, auf denen man zu „Bruttosozialprodukt“ und „Die Sennerin vom Königssee“ „abtanzt“. Ich würde allerdings nicht den Fehler machen wollen, die nostalgieselige Rezeption einer bestimmten Musik der Musik selbst anzulasten, ähnlich dem Songbirdschen Kurzschluss „ABBA machen Musik für den Schlagermove“.

Für die „NDW“ empfinde ich keinerlei Nostalgie. Für die vielbeschworene unkommerzielle Frühphase bin ich einen Tick zu jung (Jg. 68), für mich wurde das Phänomen erst erkennbar, als die ersten Songs wie „Ich steh auf Berlin“, „Polizisten“ u.ä. im Radio auftauchten. Eine sehr erfrischende Brise angesichts der Pathos-Explosion in dieser Zeit: Karats „Blauer Planet“ und „Über sieben Brücken“, Maffays „Lieber Gott“ und „Eiszeit“, das Grauen! Als ob die Horrorszenarien in den Medien nicht schon deprimierend genug gewesen wären. Ich weiß ja nicht, wie Du das erlebt hast, Du bist ja ein paar Jahre jünger, das kann schon einen Unterschied machen.

Das Maß aller Dinge waren für mich die englischen Bands. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass das außer einigen Bap-Fans, die, so meinten sie, anspruchsvolle Texte in einer unverständlichen Sprache genossen, irgendjemand anders gesehen hätte (wir sprechen von der 7.-9. Klasse). Trotzdem war natürlich jede Schote von „Zauberstab“ bis „Skandal im Sperrbezirk“ Pausenthema, es gab ja quasi wöchentlich einen neuen Gassenhauer dieser Güteklasse und selbstverständlich dienten die Zweideutigkeiten der pubertären Belustigung. Irgendwann so Mitte 83 war man es dann aber auch leid und der flaue Spaß hatte ein Ende.

Das ist der eine Teil der Geschichte. Der andere ist der, dass die Zeit zwischen 80 und 83 für deutschsprachige Popmusik nicht die schlechteste war und es durchaus Bands und einzelne Songs gab, die ich auch heute noch bzw. wieder hören kann (hab es Jahre lang nicht getan), z.B. Palais Schaumburg, Fehlfarben, Trio, Doraus & Marinas, DAF und – ja – auch einige Songs von Nena (die „Luftballons“ mochte ich damals schon nicht besonders). Die echten Kenner wie Pinch und Bender könnten sicher noch einige Namen ergänzen (PS: siehe weiter vorne im Thread).

„Peinlich“ ist übrigens die simpelste Kritik der Welt, kann man mal so hinschreiben, blockt jede Diskussion genauso perfekt ab wie „das ist doch Geschmackssache“. Ich hätte es gerne genauer – und bitte nicht nur langweilig Textzitate zerklauben, das haben damals die Vertreter der „anspruchsvolle Texte“-Fraktion auch schon.

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