Re: Miles Davis

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Anonym
Inaktiv

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Du hast vorhin auf was wirklich Auffälliges hingewiesen, das mir irgendwie auch immer so halbbewusst war: Ja, sowohl die Cover als auch die Äußerungen von Miles weisen darauf hin, dass er sowas wie ein schwarzes Straßenpublikum wollte, Tanz, Sex, Schweiß … aber ehrlich, ich kann den Miles-Platten aus dieser Zeit einiges abgewinnen, aber wie man dem Tanzaffen Zucker gibt, wusste er wohl doch eher nicht. Oder wusste er, was er tat? (Nämlich bei allen oberflächlichen Berührungspunkten doch etwas verdammt fundamental anderes als JB oder Sly)?Das kann ich nicht recht einschätzen.

Nachtrag zum „Modalen“ – was ich vorhin anzudeuten versuchte: Bei Brown ist das sehr schlüssig aus dem herzuleiten, was er auf der Bühne so trieb. Wenn er die Band auf der Stelle treten ließ, um sich selbst einen Klangteppich zum Tanzen zu geben, wenn er Phrasen endlos wiederholte, um das Publikum in den orgiastischen Wahnsinn zu treiben, dann tuckerte die Musik ja schon modal, selbst wenn danach wieder ein ganz konventioneller Soulsong folgte. Wenn die Band nicht einen Strophendurchlauf mit vier oder fünf verschiedenen Akkorden wiederholen muss, sondern auf einem einzigen Akkord rumvampt, ist sie flexibler, rektionsschneller, kann jederzeit auf ein Handzeichen Browns reagieren, die ganze Musik ist ein einziger elastischer Muskel, perfekt trainiert für den Live-Einsatz, um das Publikum zu packen. Das „Modale“ ist zunächst also einfach etwas Praktisches, um die Live-Maschine höchstfunktional zu tunen. Und daraus ergab sich quasi organisch dann die nächste Stufe: Lassen wir doch all die vielen Akkorde weg, lassen wir alle Instrumente dem Groove dienen, machen wir’s doch einfach immer so, wie wir es live sowieso zwischen den eher klassisch songorientierten Passagen schon machen …

Da ging es bei Miles‘ Modalität doch um etwas anderes: um die Befreiung des Solisten, der nicht mehr ins Korsett der vielen Harmonien, die immer nur eine begrenzte Zahl von „richtigen“ Tönen gestatteten, gespannt war, sondern sich melodisch jetzt viel ungehemmter entfalten und nach Bögen jenseits der naheliegenden Klischees suchen konnte und musste.

Was nicht ausschließt, dass JB von Miles beeinflusst war und den modalen Durchbruch auf „Kind of Blue“ wahrgenommen hatte (es gibt ja Leute, die in Cold Sweat sowas wie ein So-what-Zitat hören).

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