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tejazzDas mit Mighty Quinn verstehe ich nicht. Um welches Capitol-Album handelt es sich da?
Ansonsten bin ich da doch Deiner Meinung. Und wenn es sich um V.S.O.P. handelt, finde ich das genauso blöd wie bei MOSAIC.
Bloß – wieso diskreditieren sie sich, wenn sie oder andere kleine labels irgendwelche CDs herausbringen? Weil sich Mighty Quinn nicht mit Fresh Sound abstimmt oder umgekehrt?
Wie soll das funktionieren? Am Jahresanfang setzen sich die Eigner diverser kleiner labels zusammen und beratschlagen, welche reissues sie im kommenden Jahr verhackstücken?
Und wieso sollten sie Blue Note herausbringen, wo doch ständig irgendwelche reissues verfügbar waren? Die Normalpreise von EMI/Capitol/BN waren kaum zu toppen. Von den Ausverkaufspreisen mal ganz zu schweigen.
Und wie viele CDs soll Freshsound & Unterlabels denn noch machen? So groß ist der Laden nun auch wieder nicht.
Es handelt sich um Pepper Adams tolles Album Critic’s Choice.
Mighty Quinn lizenziert seine Ausgaben, bereitet sie klanglich hervorragend auf, basierend wohl auf den besten Quellen, die EMI rausrückt … und da die Schutzfristen in den USA länger laufen als in Europa, ist es auch nicht so, dass sie das überhaupt anders machen könnten auf legalem Weg. Sie haben einen kleinen, aber sehr feinen Katalog zusammengebracht in den letzten Jahren, neben tollen Reissues (Harold Land, Don Ellis, Paul Quinichette, Roy Ayers, Ray Nance, Edmond Hall, Eddie Condon) haben sie auch eigene neue Produktionen veröffentlicht (auch eine von Carmen Leggio übrigens!).
Fresh Sound und Konsorten – es ist etwas fies, immer Fresh Sound zu nennen, da sie doch von all den Labeln, die noch immer wie Pilze aus dem Boden schiessen (Jazz Plot, Jazz Plaza Music, Pollwinner Records, Jazz Beat etc. etc. – die machen wohl immer dicht, bevor irgendeine Klage eingereicht werden kann und öffnen dann den nächsten Laden – ich hoffe doch mit Schweizer Bankkonto ;-)), das mit Abstand feinste sind …. nun ja, Fresh Sound und Konsorten diskreditieren sich in meinen Augen immer dann, wenn sie eben die Arbeit von anderen kleinen Labeln – die Geld ausgeben für ihre Reissues, das ist der springende Punkt, die Lizenzen und Rechte kaufen und versuchen, an Originalbänder zu kommen, diese besitzen oder gar aufkaufen – abkupfern.
Releases wie die genannten (Mingus 40s, Dizzy/Bird Town Hall 1945, Pepper Adams) finde ich daher gelinde gesagt widerlich. Wenn Jordi Pujol wirklich der Engel wäre, der grosse passionierte Jazzfan und Freund und Helfer aller anderen Jazzfans, dann würde er solche Dinge nicht herausbringen – egal, ob es legal ist oder nicht. Und ich wiederhole: es ist nicht legal, die Remasterings zu kopieren … er darf über 50jährige LPs selber Transferieren, aber er darf nicht Aufnahmen wie etwa jene von Mingus oder Dizzy/Bird kopieren, die erst in den Nullerjahren überhaupt zugänglich wurden, von denen es auch für Pujol nur die vorangegangenen CD-Ausgaben, die eben noch lange geschützt sind, gibt. Soweit jedenfalls mein Verständnis, was das Rechtliche betrifft. Zum Verschleiern werden dann eben oft irgendwelche Filter drübergeknallt, etwas mehr Noise-Reduction und sowas, mit äusserst zweifelhaftem Ergebnis. Das Problem ist übrigens in der Klassik-Welt ebenfalls aktuell und führt überall zu absurden Dingen wie der Bevorzugung im Detailhandel oder manchmal sogar zu Auszeichnungen für tolle Remasterings – die geklaut wurden. Guck mal hier:
http://www.musicandarts.com/shame.html
Wo ich zwiegespalten bin ist, wenn Fresh Sound sich bei den Fantasy-Labeln bedienen. Der jetzige Besitzer Concord tut uns gewiss keinen Dienst, wenn sie die ganzen Bestände streichen … aber ein Major-Label, das auf seinen Schätzen hockt (wie EMI im Falle Blue Notes – aber es fällt ja wirklich auf, dass Fresh Sound und die ganzen Piraten sich nicht an Blue Note zu schaffen machen, das wäre eine Frage für ein Interview mit Pujol … Respekt vor der Ikone, Angst vor EMI, konkrete Gerichtsfälle? Ich habe keine Ahnung). Concord macht wohl einigermassen, was noch wirtschaftlich zu machen ist. Und sie lassen dem europäischen Vertrieb (der nunmal Universal ist, aber das heisst nicht, dass die auf dem Material hocken, die machen nur den Vertrieb in Europa) ja die Möglichkeit, in Eigenregie viele ältere Ausgaben weiter anzubieten und auch neue herauszugeben (zuletzt die Jazzplus-Reihe), und auch da muss in Europa keiner irgendwelche anderen Abgaben entrichten als jene für die GEMA und ähnliche Verbände.
Dennoch ist es natürlich toll, wenn Aufnahmen wie jene von Ernie Henry oder Sonny Red greifbar sind. Bei letzterem ärgere ich mich allerdings darüber, dass ich als Besitzer der früheren Fantasy-CDs drei Alben erneut kaufen müsste, um ans vierte zu gelangen … auch da: wenn Pujol der grosse Gute wäre, als den er sich gerne ausgibt, würde er mit seinen Zusammenstellungen Rücksicht nehmen auf früher weitherum erhältliche Releases. Mir scheint im Gegenteil aber, dass er sich möglichst grosse Mühe gibt, Dinge, die längst alle haben, mit seltenen Aufnahmen zu kopieren – man muss also mehr kaufen, als man möchte, um an die Sachen zu kommen. Auch das ist allerdings bei Fresh Sound im Vergleich noch harmlos, denn andere dieser Label geben viel beklopptere Zusammenstellungen heraus, die man in manchen Fällen wohl sinnwidrig nennen kann … oder sie wechseln mal rasch den Leader, fünfzig Jahre nachdem die Sessions stattgefunden hatten. Auch diesbezüglich steht Fresh Sound eindeutig besser da.
Du siehst, das ist für mich eine ziemlich ambivaltente Geschichte. Aber beim Abkupfern von kleinen Labeln, die viel Zeit und Geld investieren, da ist der Fall für mich eindeutig, und ja: damit diskreditiert sich Pujol in meinen Augen (und die ominöse Person, die hinter all den Labeln steht, mit denen Pujol – das glaube ich inzwischen wohl, ohne es wissen zu können – angeblich nichts zu tun hat, erst recht).
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