Re: Miles Davis

#353473  | PERMALINK

gypsy-tail-wind
Moderator
Biomasse

Registriert seit: 25.01.2010

Beiträge: 68,343

Ach, mit Radioaufnahmen ist das so eine Sache … die kriegt niemand raus, bevor die Rechte nicht erloschen sind, das scheint rechtlich alles enorm komplex zu sein. Die Zeiten, als z.B. Enja und Hat Records zu Dutzenden Koprodutkionen mit dem WDR, dem HR, dem NDR etc. herausbrachten, sind längst vorbei, weil sich die Situation ohne sehr viel Geld und Heerscharen von Anwälten nicht klären lässt. Leider!

Wofür ich zu zahlen bereit bin ist, wenn ein Toningenieur das Zeug sauber bearbeitet, ein (meist kleines, unterstützungswürdiges) Label die Aufnahmen veröffentlicht.

Das sind andere Fragen als jene, die sich im Fall von Major Labeln stellen, die auf den Sachen hocken. Aber auch dort: die lausigen (spanischen, andorranischen, englischen, italienischen) Ausgaben, mit denen der Markt überschwemmt wird, sind oft keinen Pfennig wert, weil die Sachen einfach beschissen klingen. Es gibt auch eklatante Fälle von „geklauten“ (von Dime) Live-Aufnahmen, die bei RLR oder Lonehill rauskommen und viele Beispiele (auch von viel älteren Bootleg-Labeln wie Celluloid oder JazzDoor oder Moon), in denen sehr schlechte Ausgaben (falsche Geschwindigkeit, siebenundreissigste Tonband-Generation) veröffentlicht wurden und sich in dieser Form noch heute halten (so hat z.B. Lonehill eine Ausgabe von Miles Davis‘ Amsterdam-Konzert von 1957 mit Barney Wilen im Angebot, die noch immer in der falschen Geschwindigkeit läuft, was bei dem Konzert einen enormen Unterschied macht, weil man immer dachte, Kenny Clark sei auf Valium oder sowas, aber wenn die Geschwindigkeit korrigiert wird, passt plötzlich alles! Aber das ist den Bootleggern – die ja letztlich nur Abzocker sind, die sich als Liebhaber maskieren – herzlichst egal).

Also, im Klartext: ich ganz und gar kein Fan der Lex Paul und Lex Jimmy. Aber ich sehe das bei gewissen Veröffentlichungen einfach alles differenzierter, als Gesetze dazu in der Lage sind. Wenn z.B. Uptown das Dizzy/Bird-Konzert aus der Town Hall von 1945 entdeckt und phantastisch restauriert oder diverse kleine Label aufkauft, um die Vierziger-Aufnahmen, die Mingus in Kalifornien gemacht hat, in einer unglaublich tollen Edition herauszubringen, dann blutet mein Herz, wenn dreieinhalb Stunden später die Kopie von Definitive in alle Läden liegt.

--

"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba