Re: Die besten Hard Bop Alben

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katharsis

Registriert seit: 05.11.2005

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gypsy tail windMiles war schon eine der prägendsten Figuren für den Hardbop – es gibt ja welche, die Behaupten, auf seiner „Dig“ seien zum ersten Mal die zentralen ryhthmischen Eigenschften des Hardbop zu hören… bin da selber nicht so sattelfest, aber alle seine Sessions mit Silver (manchmal im Quartett, manchmal im Quintett mit Dave Schildkraut oder v.a. Sonny Rollins, oder eben „Walkin'“, mit der Miles ja doch in der Liste mal kurz vorbeischaut) sind absolut prägender, früher Hardbop. Klar, Silver und Blakey (und Heath!) mögen letztlich die Leute sein, die Hardbop erfunden haben und bei Miles diese Elemente schon in nuce zum besten geben, aber es waren eben doch Miles‘ Sessions, Miles‘ Bands, Miles‘ Ideen, die da umgesetzt wurden. Würd ich nicht unterschätzen…

Klar, da ist etwas dran. Allen voran würde ich da auch die Reihe an Alben mit Garland/Chambers/Jones nennen. Trotzdem beschleicht mich das Gefühl, dass der wirklich ganz enge, klassische Hardbop-Begriff – den jeder für sich wahrscheinlich anders definiert – damit nicht ganz übereinstimmt. Miles war irgendwie von Anfang an schon ‚mehr‘ als klassischer Hardbop. Mir fällt es auch schwer, das auseinanderzudröseln, aber ich habe jedenfalls kein schlechtes Gefühl, wenn er da nicht auftaucht.

gypsy tail windReece fand ich auch erstaunlich – aber das schöne ist, dass man so noch Tubby Hayes drin hat und sich mal kurz ein Fenster nach Europa öffnet. Das tut Reece ja auch schon, aber ich find’s irgendwie eine schöne Wahl (schöner als das Album mit Mobley und Kelly, allerdings hätte sich das Prestige-Album sehr wohl als Alternative angeboten).
Byrd müsste bei mir gar nicht unbedingt als Leader rein – mit dem Jazzlab ist das ja hervorzüglich gelöst, auch wenn ich sonst von Gryce auch gerne eines der Quintett-Alben mit Williams gesehen hätte („Rat Race Blues“ wohl am ehesten… oder „Art Farmer Quintet Feat. Gigi Gryce“).

Ja, Reece war eine tolle Nennung. Ich glaube, dass es letztlich egal ist, was von ihm in eine Liste aufgenommen wird. Da spielen persönliche Vorlieben wahrscheinlich eine weit größere Rolle (Ich hätte auch „Asia Minor“ genommen) und wichtig sind seine Alben in der Tat.
Byrd finde ich absolut in Ordnung, da er eine Reihe wirklich guter Alben vorgelegt hat, die alle prototypisch für den damaligen BN-Sound waren. In Bezug auf nur Byrd habe ich auch andere Vorlieben. Das Jazz Lab-Album kenne ich nicht, kann dazu nichts sagen. Meine Wahl wäre vielleicht das Riverside-Album geworden, das dann auf Jazzland wiederveröffentlicht wurde.
Gryce wäre auch wirklich erfreulich gewesen, allerdings bin ich mir noch im Unklaren, welches der NJ-Alben ich priorisieren würde. Vor allem finde ich es toll, dass Gryce/Williams einen anderen Sound entwickelt haben, als es bei Gryce/Byrd der Fall gewesen ist. Insofern hätte eine doppelte Nennung auch nicht geschadet.

gypsy tail windDie letzten beiden Nennungen sind nur Nonsens mit dem engeren Hardbop-Begriff (den ich selber ja bekanntlich auch favorisiere). Sonst gehen sie schon – aber dann fehlen wie redbeans angemerkt hat noch weitere Alben, es müsste etwa „Idle Moments“ auftauchen…
Mobley find ich in Ordnung, auch wenn ich persönlich „Hank Mobley and His All-Stars“ oder „Soul Station“ gewählt hätte.
Bei Rouse pflichte ich Dir bei – nett, dass man an ihn denken wollte, aber nein, er muss überhaupt nicht rein.
Was McLean, Gordon und Redd betrifft bin ich gänzlich anderer Meinung, aber das ist ja hinlänglich bekannt. Die drei Alben halte ich alle für vorzüglich gewählt. (Und Redd spielt ja – seien wir mal ehrlich – eigentlich nie besser als nett, auch wenn seine Musik einen ganz eigenen Charm hat.)
Bei Nelson hatte ich zuerst auch meine Zweifel – aber das Album passt schon, und es ist im Gegensatz zu „Blues and the Abstract Truth“ auch wirklich ein Hardbop-Album. Letzteres höre ich eher in der Richtung vom Hardbop weg, wie sie auch Andrew Hill, Joe Henderson oder Larry Young eingeschlagen haben, wenn auch noch näher dran (was ja auch zeitlich so ist).
Bei Parker… ja, wenn er rein muss müsste James Moody auch rein… und die Abgrenzung zum Bebop, zum R&B gar, ist da nicht mehr wirklich gewährleistet. Kann ich nachvollziehen, aber ich find’s doch schön, dass er reindurfte. Und genaugenommen ist Gordon ja auch so ein Fall… er hat vielleicht ein paar Hardbop-Alben gemacht (allen voran „Go“), aber er war immer ein Bebopper.

Die letzten Nennungen habe ich genau wegen des enger umrissenen Hardbop-Begriffs als Nonsens abgetan. Dass es schlechte Alben sind, wollte ich nicht sagen. Cannonball und Zawinul waren ja auf „Mercy“ schon ganz nah an neuen Ufern, das ist für mich kein klassischer Hardbop mehr.
Bei Nelson pflichte ich Dir gerne bei. Klar ist, dass sich Nelson schon von Anfang an vom Hardbop wegbewegte, auch mit Dolphy’s Hilfe. Die ersten Prestige-Aufnahmen sind da aber schon nah dran, so dass die Nennung natürlich vollkommen okay ist und es auch wichtig ist Nelson mal dahingehend in den Vordergrund zu stellen.
Wie gesagt, ich habe rein gar nichts gegen L. Parker – ganz im Gegenteil. Aber Hardbop ist das nach meinem Empfinden nicht. Und wie Du sagst, öffnet diese Nennung dann auch jede Menge Türen, um andere in die Liste zu nehmen. Moody, warum nicht?

gypsy tail windDie McLean- und Dorham-Wahlen finde ich beide vorzüglich. KD geht nicht besser, behaupte ich mal. Als zweites würde ich dann eher das frühe Debut-Album vorschlagen (und mit dem gleichen Grund: früh – halte ich auch die Adderley-Wahl für sehr vertretbar, zudem halte ich die Savoy-Aufnahmen allesamt für besser als die irgendwie etwas gedämpften EmArcy-Sessions).
Watkins wäre eine weitere, tolle Nennung gewesen (statt Rouse, von mir aus)!
Von Drew hätte ich wohl eher das BN-Album vorgeschlagen, aber dass er fehlt finde ich unproblematisch (Kelly fehlt auch, Pianisten sind überhaupt nicht so viele drin in der Liste).

„Jackie’s Bag“ ist ein Album, das mir nie besonders erschien. Dafür sind aber hauptsächlich meine Probleme mit dem frühen McLean verantwortlich.
Bei KD habe ich tatsächlich die Nennung übersehen. „Café Bohemia“ ist da ganz klar richtig. Darüber hinaus finde ich „Quiet Kenny“ aber nicht ganz falsch, da ich es zumindest für Dorham als gut passend erachte. Trotzdem ist gerade Dorham natürlich sehr schwer, bei der Reihe an wirklich guten Sessions.
Drew finde ich ganz und gar nicht unproblematisch, auch nicht die relativ starke Konzentration auf Saxophonisten (obwohl fast überall Trompeter in den Line Up’s sitzen). „Talkin‘ & Walkin'“ ist vielleicht ein etwas obskurer Vorschlag, noch dazu, weil eine gehörige Tendenz West Coast Jazz drin steckt. Aber gerade „Undercurrent“ ist ein kleiner, irgendwie verschütt gegangener Meilenstein im BN-Katalog. Wahrscheinlich ist Drew auch heute nicht mehr sonderlich im US-amerikanischen Gedächtnis verankert, aufgrund seines strategisch ungeschickten Weggangs nach Europa.
„Undercurrent“ hätte, gerade wegen der vielen Blue Note-Nennungen drin sein müssen.

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"There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur III