Re: Die besten Hard Bop Alben

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gypsy-tail-wind
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katharsisDanke für die Liste. Zu weiten Teilen finde ich sie dann auch wirklich sehr gelungen. Aus meiner Sicht wurde nicht versucht, unbekannte Alben unterzubringen, um dadurch den Schein des Exklusiven zu erwecken (obwohl ich Serrano’s „Blues Holiday“ gerne mal lesen würde). Demgegenüber wurden aber auch einige Leute genannt, die nicht allzuoft in solchen Listen zu finden sind, es aber verdient haben, die hast Du alle schon genannt (insbesondere Gordon, Counce und Bailey).
Im Großen und Ganzen bin ich auch mit Miles/Coltrane zufrieden. „Blue Train“ ist einfach der HardBop-Klassiker von Trane, vor allem auch wegen Curtis Fuller. Miles fehlt dagegen zwar, aber seine Meriten liegen vielleicht wirklich woanders und sich nicht nahe genug an dem dran, was in dieser Liste zu dokumentieren versucht wurde.

Miles war schon eine der prägendsten Figuren für den Hardbop – es gibt ja welche, die Behaupten, auf seiner „Dig“ seien zum ersten Mal die zentralen ryhthmischen Eigenschften des Hardbop zu hören… bin da selber nicht so sattelfest, aber alle seine Sessions mit Silver (manchmal im Quartett, manchmal im Quintett mit Dave Schildkraut oder v.a. Sonny Rollins, oder eben „Walkin'“, mit der Miles ja doch in der Liste mal kurz vorbeischaut) sind absolut prägender, früher Hardbop. Klar, Silver und Blakey (und Heath!) mögen letztlich die Leute sein, die Hardbop erfunden haben und bei Miles diese Elemente schon in nuce zum besten geben, aber es waren eben doch Miles‘ Sessions, Miles‘ Bands, Miles‘ Ideen, die da umgesetzt wurden. Würd ich nicht unterschätzen…

katharsisÜber einige Alben könnte man sich streiten, das ginge dann aber eher in Richtung persönliche Gewichtung, persönlicher Geschmack (Dizzy Reece, McLean, Hubbard oder Byrd wären das etwa bei mir).

Reece fand ich auch erstaunlich – aber das schöne ist, dass man so noch Tubby Hayes drin hat und sich mal kurz ein Fenster nach Europa öffnet. Das tut Reece ja auch schon, aber ich find’s irgendwie eine schöne Wahl (schöner als das Album mit Mobley und Kelly, allerdings hätte sich das Prestige-Album sehr wohl als Alternative angeboten).
Byrd müsste bei mir gar nicht unbedingt als Leader rein – mit dem Jazzlab ist das ja hervorzüglich gelöst, auch wenn ich sonst von Gryce auch gerne eines der Quintett-Alben mit Williams gesehen hätte („Rat Race Blues“ wohl am ehesten… oder „Art Farmer Quintet Feat. Gigi Gryce“).

katharsisWomit ich jedoch wenig bis gar nicht einverstanden bin, sind folgende Nennungen:

Cannonball Adderley – Spontaneous Combustion (1955, Savoy)
Charlie Rouse – Takin‘ Care of Business (1960, Jazzland)
Oliver Nelson – Screamin‘ the Blues (1960, Prestige)
Freddie Redd – Shades of Redd (1960, Blue Note)
Hank Mobley – Workout (1960, Blue Note)
Dexter Gordon – Doin‘ Allright (1961, Blue Note)
Leo Parker – Let Me Tell You ‚Bout It (1961, Blue Note)
Cannonball Adderley – Mercy, Mercy, Mercy (1966, Capitol)
Lou Donaldson – Alligator Bogaloo (1967, Blue Note)

Von Cannonball hätte aus meiner Sicht „Something else“ gewählt werden müssen, einfach weil es der erste Meilenstein seiner Aufnahmen ist. Die Alben für Savoy sind gut, keine Frage, aber haben aus meiner Sicht noch nicht das Zeug zum Hardbop-Klassiker. Dann schon eher etwas aus den Mercury-Jahren.
„Takin‘ Care of Business“ ist aus meiner Sicht nichts anderes, als ein solides Album. Da hätten es andere wesentlich mehr verdient gehabt, genannt zu werden. Um bei Jazzland zu bleiben, möglicherweise sogar Don Sleet, oder Sonny Red. Rouse selbst mag ich zwar, letztlich ist er aber ein ordentlicher Handwerker. Möglicherweise wäre „Yeah“ die bessere Wahl gewesen.
„Screamin the Blues“ ist vielleicht der Versuch, Dolphy unterzubringen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob Nelson hier überhaupt passt. Das Album ist toll, keine Frage – „The Blues and the Abstract Truth“ würde ich dann aber eher nennen wollen.
„Shades of Redd“ geneißt bei vielen hohes Ansehen, ich mag es einfach nicht. McLean nervt hier extrem und Redd spielt nett. Eine Nennung hat das Album aus meiner Sicht keinesfalls verdient. Auch aus meiner ablehnenden Haltung gegenüber „Doin‘ alright“ mache ich keinen Hehl. Hubbard und Gordon sind hier einfach nur lahm dokumentiert, da gäbe es bessere Alternativen, „Dexter Calling“ bspw.
Auch Mobley halte ich auf „Workout“ für weniger aussagekräftig. „Roll Call“ und/oder „Soul Station“ erscheinen mir passender.
Bei Leo Parker wäre ich auch sehr vorsichtig. Ich finde es toll, dass er hier Erwähnung findet, seine beiden Blue Notes sind großartig und verdienen jede Anerkennung. Aber ob sie in einer Hardbop-Liste wirklich drin sein sollten?
Die letzten beiden Nennungen sind absoluter Nonsens.

Die letzten beiden Nennungen sind nur Nonsens mit dem engeren Hardbop-Begriff (den ich selber ja bekanntlich auch favorisiere). Sonst gehen sie schon – aber dann fehlen wie redbeans angemerkt hat noch weitere Alben, es müsste etwa „Idle Moments“ auftauchen…
Mobley find ich in Ordnung, auch wenn ich persönlich „Hank Mobley and His All-Stars“ oder „Soul Station“ gewählt hätte.
Bei Rouse pflichte ich Dir bei – nett, dass man an ihn denken wollte, aber nein, er muss überhaupt nicht rein.
Was McLean, Gordon und Redd betrifft bin ich gänzlich anderer Meinung, aber das ist ja hinlänglich bekannt. Die drei Alben halte ich alle für vorzüglich gewählt. (Und Redd spielt ja – seien wir mal ehrlich – eigentlich nie besser als nett, auch wenn seine Musik einen ganz eigenen Charm hat.)
Bei Nelson hatte ich zuerst auch meine Zweifel – aber das Album passt schon, und es ist im Gegensatz zu „Blues and the Abstract Truth“ auch wirklich ein Hardbop-Album. Letzteres höre ich eher in der Richtung vom Hardbop weg, wie sie auch Andrew Hill, Joe Henderson oder Larry Young eingeschlagen haben, wenn auch noch näher dran (was ja auch zeitlich so ist).
Bei Parker… ja, wenn er rein muss müsste James Moody auch rein… und die Abgrenzung zum Bebop, zum R&B gar, ist da nicht mehr wirklich gewährleistet. Kann ich nachvollziehen, aber ich find’s doch schön, dass er reindurfte. Und genaugenommen ist Gordon ja auch so ein Fall… er hat vielleicht ein paar Hardbop-Alben gemacht (allen voran „Go“), aber er war immer ein Bebopper.

katharsisDagegen fehlt bspw. Kenny Drew’s „Walking & Talking“, vielleicht das Transition-Album von Doug Watkins, oder ein anderes Album von McLean – „Jackie’s Pal“, oder „The New Tradition“. Auch „Quiet Kenny“ von Dorham fände ich nicht falsch.

Die McLean- und Dorham-Wahlen finde ich beide vorzüglich. KD geht nicht besser, behaupte ich mal. Als zweites würde ich dann eher das frühe Debut-Album vorschlagen (und mit dem gleichen Grund: früh – halte ich auch die Adderley-Wahl für sehr vertretbar, zudem halte ich die Savoy-Aufnahmen allesamt für besser als die irgendwie etwas gedämpften EmArcy-Sessions).
Watkins wäre eine weitere, tolle Nennung gewesen (statt Rouse, von mir aus)!
Von Drew hätte ich wohl eher das BN-Album vorgeschlagen, aber dass er fehlt finde ich unproblematisch (Kelly fehlt auch, Pianisten sind überhaupt nicht so viele drin in der Liste).

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