Re: Die besten Hard Bop Alben

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katharsis

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gypsy tail wind
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Find ich auf den ersten Blick eine ganz gute Liste! Ein paar schöne Erwähnungen (Joe Gordon, Louis Smith, Wilbur Harden – auch wenn bei letzterem geschummelt wurde -, Counce, Jordan/Gilmore, Bailey, Parlan), daneben manches, was einfach rein muss (Brown/Roach, Silver, Blakey, Cannonball) aber auch da manche überraschende Wahl (Home Cookin‘ für Smith etwa, auch die Savoy-Scheibe für Adderley – gut, das war halt die erste).

Insgesamt etwas Blue Note-lastig, aber das wundert ja wohl keinen, wenn’s um Hardbop geht. Zudem fehlt Miles fast komplett (andere Kandidaten: Bag’s Groove, die … with the MD Quintet-Alben, Milestones), was ich aber nicht schlimm finde, denn ihm wird eh (durchaus verdiente) grosse Aufmerksamkeit zuteil, im Gegensatz zu vielen anderen in der Liste. Dasselbe gilt für Coltrane, der natürlich auch mit weiteren Alben aufgeführt werden könnte (Soultrane etwa).

Bei Hubbard, Timmons, Mobley und ein paar anderen könnte man sich wohl darüber streiten, welches Album reingehört. Üblicherweise scheinen die frühen Alben stärker gewichtet worden sein, was auch sinnvoll ist, denn sie prägten, was folgte. Dass dann bei Blue Mitchell aber nicht das etwas unter den Erwartungen bleibende Debut (Big 6) sondern das nachfolgende Album genannt wird, gefällt mir.
Die Wahl bei McLean gefällt mir (und redbeans) natürlich auch!
Schön finde ich auch, dass Dexter Gordon und Leo Parker Eingang gefunden haben. Beides keine Hardbopper, aber grad Parker verdient jede Aufmerksamkeit!

Die paar eher eigenwilligen Nennungen sind wohl die letzen – gehört das wirklich noch rein? Interessant ist ja die Lücke 1962. Nach meinem Empfinden endet da eben die Hardbop-Ära, auch wenn Musiker wie Blakey oder Silver (ersterer kommt nochmal vor, wieder mit einer schönen, etwas abseitigeren Nennung, von letzterem wird dann „Song for My Father“ übergangen) natürlich weiterhin Hardbop gemacht haben.

Danke für die Liste. Zu weiten Teilen finde ich sie dann auch wirklich sehr gelungen. Aus meiner Sicht wurde nicht versucht, unbekannte Alben unterzubringen, um dadurch den Schein des Exklusiven zu erwecken (obwohl ich Serrano’s „Blues Holiday“ gerne mal lesen würde). Demgegenüber wurden aber auch einige Leute genannt, die nicht allzuoft in solchen Listen zu finden sind, es aber verdient haben, die hast Du alle schon genannt (insbesondere Gordon, Counce und Bailey).
Im Großen und Ganzen bin ich auch mit Miles/Coltrane zufrieden. „Blue Train“ ist einfach der HardBop-Klassiker von Trane, vor allem auch wegen Curtis Fuller. Miles fehlt dagegen zwar, aber seine Meriten liegen vielleicht wirklich woanders und sich nicht nahe genug an dem dran, was in dieser Liste zu dokumentieren versucht wurde.
Über einige Alben könnte man sich streiten, das ginge dann aber eher in Richtung persönliche Gewichtung, persönlicher Geschmack (Dizzy Reece, McLean, Hubbard oder Byrd wären das etwa bei mir).

Womit ich jedoch wenig bis gar nicht einverstanden bin, sind folgende Nennungen:

Cannonball Adderley – Spontaneous Combustion (1955, Savoy)
Charlie Rouse – Takin‘ Care of Business (1960, Jazzland)
Oliver Nelson – Screamin‘ the Blues (1960, Prestige)
Freddie Redd – Shades of Redd (1960, Blue Note)
Hank Mobley – Workout (1960, Blue Note)
Dexter Gordon – Doin‘ Allright (1961, Blue Note)
Leo Parker – Let Me Tell You ‚Bout It (1961, Blue Note)
Cannonball Adderley – Mercy, Mercy, Mercy (1966, Capitol)
Lou Donaldson – Alligator Bogaloo (1967, Blue Note)

Von Cannonball hätte aus meiner Sicht „Something else“ gewählt werden müssen, einfach weil es der erste Meilenstein seiner Aufnahmen ist. Die Alben für Savoy sind gut, keine Frage, aber haben aus meiner Sicht noch nicht das Zeug zum Hardbop-Klassiker. Dann schon eher etwas aus den Mercury-Jahren.
„Takin‘ Care of Business“ ist aus meiner Sicht nichts anderes, als ein solides Album. Da hätten es andere wesentlich mehr verdient gehabt, genannt zu werden. Um bei Jazzland zu bleiben, möglicherweise sogar Don Sleet, oder Sonny Red. Rouse selbst mag ich zwar, letztlich ist er aber ein ordentlicher Handwerker. Möglicherweise wäre „Yeah“ die bessere Wahl gewesen.
„Screamin the Blues“ ist vielleicht der Versuch, Dolphy unterzubringen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob Nelson hier überhaupt passt. Das Album ist toll, keine Frage – „The Blues and the Abstract Truth“ würde ich dann aber eher nennen wollen.
„Shades of Redd“ geneißt bei vielen hohes Ansehen, ich mag es einfach nicht. McLean nervt hier extrem und Redd spielt nett. Eine Nennung hat das Album aus meiner Sicht keinesfalls verdient. Auch aus meiner ablehnenden Haltung gegenüber „Doin‘ alright“ mache ich keinen Hehl. Hubbard und Gordon sind hier einfach nur lahm dokumentiert, da gäbe es bessere Alternativen, „Dexter Calling“ bspw.
Auch Mobley halte ich auf „Workout“ für weniger aussagekräftig. „Roll Call“ und/oder „Soul Station“ erscheinen mir passender.
Bei Leo Parker wäre ich auch sehr vorsichtig. Ich finde es toll, dass er hier Erwähnung findet, seine beiden Blue Notes sind großartig und verdienen jede Anerkennung. Aber ob sie in einer Hardbop-Liste wirklich drin sein sollten?
Die letzten beiden Nennungen sind absoluter Nonsens.

Dagegen fehlt bspw. Kenny Drew’s „Walking & Talking“, vielleicht das Transition-Album von Doug Watkins, oder ein anderes Album von McLean – „Jackie’s Pal“, oder „The New Tradition“. Auch „Quiet Kenny“ von Dorham fände ich nicht falsch.

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"There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur III