Re: Die besten Hard Bop Alben

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katharsis

Registriert seit: 05.11.2005

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Und täglich grüßt der Hard Bop.
Ich habe heute morgen mit großem Genuss obigen Scheibe gehört und will nun gerne mal mit den ganzen angesammelten Höreindrücken beginnen.

Die Musik wurde im April 1960 für das kleine Label Vee-Jay aufgenommen und stellt Hayes‘ einziges Leaderalbum in den 60ern dar. Die Gruppe besteht hauptsächlich aus Musiker der damaligen Cannonball Adderley Working-band, namentlich Nat Adderley am Kornett, Barry Harris (p) und Sam Jones (b). Anstelle von Cannonball ist der große Yusef Lateef (ausschließlich) auf dem Tenorsaxophon zu hören.

Die Musik ist Hard Bop im allerbesten Sinne und lässt sich mühelos in die besseren Prestige/Blue Note-Sessions einordnen. Wie das meist mit Leaderalben von Drummern damaliger Zeiten so ist, hält sich dieser eher im Hintergrund und strukturiert die Musik eher, als dass er sie prägt. Das übernehmen fast ausnahmslos Nat und Lateef durch ihre teilweise konträren Beiträge. Ohne dass ich allzuviele Aufnahmen von Nat kenne, würde ich sagen, dass er hier einen Höhepunkt erreicht hat, da sein Spiel unheimlich frisch, entdeckerisch und nach vorne stürmend klingt. Insbesondere in der Eigenkomposition „Rip de Boom“ mischt sich sein schnelles, virtuoses Spiel mit einigen Ideen. Natürlich ist er dabei kein Neuerer, aber mehr als ein solider Solist allemal. Lateef hält nicht dagegen, vielmehr spielt er von einem ganz anderen Startpunkt aus. Ohne den Rückgriff auf andere Instrumente zeigt sich Lateef als bluesgetränkter, dunkel spielender Tenorist mit funkelndem Klang. „I need you“ ist eine wirklich schöne Ballade, auf der das gänzlich zum Tragen kommt. Dabei wirkt die Musik nicht entspannend oder vielleicht sogar leichtgewichtig, sondern immer bedeutungsvoll und ein bißchen mystisch. Sam Jones und vor allem Barry Harris präsentieren sich erneut als sichere Begleiter, die erheblich zum Fundament der Musik beitragen, auch wenn die Bläser deutlich im Mittelpunkt stehen.
Hayes selbst ist ein sehr sicherer Drummer, der vielleicht selten die Abwechslung und Spannung ander Drummer erreicht, was der Musik aber keinen Abbruch tut. Er setzt die Becken sehr dezent aber effektiv ein und hat wirklich tolle Momente im letzten Stück „Sassy Ann“, bei dem er durchaus polytonale Rythmen hinbekommt, die mich im ersten Moment an (den frühen) Elvin Jones erinnert haben.

Insgesamt ist die Platte gefüllt mit sehr schöner Musik, die in einigen Stücken großartige Momente hat, ansonsten aber sehr gleichmäßig und ausbalanciert wirkt. Wie eingangs beschrieben, duchaus in der oberen Liga der besten Hard Bop-Alben, aber (noch) kein Primus.
Meine LP hat ein paar Clicks und Pops, ansonsten aber einen schönen Sound, so dass ich die etwas öfter herauskramen werde. Leider kann ich sie nicht noch einmal hören, während ich das schreibe, um etwas genauer zu sein, was die Solos betrifft, da ich viel unterwegs bin. Aber vielleicht trage ich das mal nach.

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"There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur III