Re: Mikkos 7" Faves

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mikko
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The Adverts – No Time To Be 21 / New Day Dawning (Bright Records, 1978)

Aus Gründen, die ich nicht so recht erklären kann, waren The Adverts immer meine Lieblings-Punkband. „Gary Gilmore’s Eyes“ (das hier sicher auch noch auftauchen wird) war eine meiner ersten Punksingles überhaupt. Dann gab es da im deutschen Fernsehen so einen Film von einen gewissen Wolfgang Büld. „Brennende Langeweile“ bzw. „Punk in London“ war der betitelt, und die Band, die darin die Hauptrolle spielte, das waren The Adverts. Hat mich sehr beeindruckt damals. Ich will jetzt nicht so weit gehen, zu behaupten, Punk hätte mein Leben verändert. Aber ein bisschen was dran ist schon. In diese Zeit fiel nämlich auch die Trennung von meiner ersten Freundin, mit der ich immerhin fast acht Jahre zusammen war. Ich war zwar schon 24, aber „No Time To Be 21“ war trotzdem meine Hymne für kurze Zeit. Ich versuchte alles nachzuholen, was ich in den Jahren zuvor vermeintlich verpasst hatte. Plötzlich trug ich kurze gefärbte Haare und rasierte meinen Vollbart ab. 20 Kilo abgenommen habe ich auch in dem Jahr. (die sind inzwischen wieder drauf, keine Bange.) Ich durchlebte eine zweite Pubertät, wenn man so will. Das alles TV Smith, Gaye Advert und den Songs dieser Band zuzuschreiben, wäre übertrieben. Aber so was wie eine Initialzündung waren ihre und die Singles ähnlicher Bands schon. Diese Kompromisslosigkeit in Text, Sound und Attitüde imponierte mir. Diese Endzeitstimmung, die da mitschwang, entsprach meiner Gefühlslage. Unabhängig davon bin ich auch heute noch der Meinung, dass TV Smith ein großartiger Songschreiber ist. Ein absolut ehrenwerter und integrer Mensch ist er sowieso.

The Only Ones – Another Girl, Another Planet / Special View (CBS Records, 1978)

Die Band um Peter Perrett kam im Zuge von Punk und New Wave zu bescheidenem Erfolg. Zu tun hatten die Jungs aber weder mit Punk noch mit New Wave. Die Anfänge der Band gehen bis in die frühen 70er zurück. Musikalische Einflüsse waren sicher Psychedelia und Acid Rock auf der einen und Glam Rock auf der anderen Seite. Im Übrigen hat Peter so einen leicht morbiden Touch, der mitunter an Lou Reed denken lässt. Die erste Single der Band erschien 1977 auf ihrem eigenen Label Vengeance Records. Insofern hatten sie schon die Zeichen der Zeit erkannt und ihre eigenen Resourcen genutzt. „Lovers Of Today“ verkaufte sich so gut, dass ein Deal mit CBS die logische Konsequenz war. Die erste Single für das Major Label geriet sogleich zum Meisterwerk! Aber obwohl CBS die Platte im Abstand von nur wenigen Monaten gleich 2x veröffentlichte, kratzte sie nur kurz an der UK Top 40. Song und Arrangement sind absolut perfekt. Allein dieses Intro ist so gnadenlos gut, dass einem sofort ganz mulmig wird vor Begeisterung. Der ganze Track ist so eine Art psychedelischer Power Pop. Eine fantastische Science Fiction Love Story, die mit Sicherheit unter Einfluss von Drogen entstand und letztlich auch einen Drogenrausch beschreibt. Das war vermutlich dann auch die Achillesferse der Band, Peters Heroin Abhängigkeit. Drei ganz hervorragende LPs erschienen innerhalb von drei Jahren. Und schon war alles vorbei. Peter Perrett hat in den 90ern zwei Solo Platten veröffentlicht. Der Drummer der Only Ones war übrigens Mike Kellie, den man schon von The V.I.P.s über Art bis Spooky Tooth kennt. Dieses hier ist die erste Single vom Frühjahr 78. Die B-Seite der zweiten VÖ, die ohne Pic Sleeve erschien, ist „As My Wife Says“.

Wire – Outdoor Miner / Practice Make Perfect (Harvest / EMI, 1978)

Noch ein unglaubliches kleines Meisterwerk. Diese vierte Wire 7“45 fristete lange Zeit ein eher unbeachtetes Dasein in meinem Singles Regal. Natürlich hatte ich sie öfter gehört als sie neu war. Auch auf einem meiner vielen Mixtapes war sie zu hören. Und doch geriet sie – wie viele andere Platten auch – zunächst in Vergessenheit. Bis ich die Nummer irgendwann in den 90ern eines nachts zufällig wieder im Radio hörte. Der Moderator Trevor Wilson schwärmte von der schlichten Schönheit des Songs. Und tatsächlich ist dieser Song ganz bezaubernd. Absolut genial wird er aber durch das Arrangement der Band, das durch Einfachheit einerseits und Einzigartigkeit andererseits besticht. Besonders schön der mehrstimmige kanonartige Gesang sowie die kleine Piano Variation im Zwischenteil. Wire sind ja eher so eine minimalistische Post Punk Band, die Post Punk schon spielte, als der Begriff noch gar nicht geprägt war. Auf der B-Seite der Single findet sich denn auch so ein seltsames Stück New Wave Punk Pop, das man nicht recht einordnen kann, und das man auch eigentlich nicht gleich noch einmal hören möchte. „Outdoor Miner“ dagegen ist leicht, locker, melodisch, und auch ein bisschen psychedelisch. Hinter den Sinn der Lyrics bin ich bis heute nicht gekommen.

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