Re: Das Piano im Jazz

#3181149  | PERMALINK

gypsy-tail-wind
Moderator
Biomasse

Registriert seit: 25.01.2010

Beiträge: 68,198

Meine neuste Ran Blake Scheibe ist „Duke Dreams – The Legacy of Strayhorn-Ellington“, aufgenommen an zwei Tagen im Mai und Juni 1981 in Mailand für Soul Note.

Gewidmet ist das Album „to two important inspirations: Mary Lou Williams and Jean Jacques Pussiau“ (letzterer ist ein französischer Produzent, Gründer von Owl Records, wo 1978 und 1979 zwei Blake-Scheiben erschienen sind, die ich noch nicht kenne, ebensowenig wie die nach der Soul Note-LP eingespielte, bisher kenne ich bloss die Reunion mit Jeanne Lee, „You Stepped Out of a Cloud“ von 1989).

Gary Giddins schreibt in seinen guten Liner Notes zur LP:

Duke Dreams is well titled because it’s a meditation on Duke Ellingto [sic] not just on a handful of his compositions, but on the pervasive quality and spirit that animate the astonishingly large body of his work. In transmuting his own dreams about this country into music, Ellington covered more territory than any other American composer. In hundreds of instrumentals, songs, suites, tone poems, revues, sacred concerts, and ballets, he treated the United States in full, from the darkes alleys to the grandest summits.

Blake mischt Bekanntes mit Unbekanntem, öffnet mit seinem Tribute „Duke Dreams“, spielt auch Brubecks schönes „The Duke“ und den Rich-Coslow-Link Standard „Animal Crackers“ in einer ganz kurzen Version. Zudem hören wir Strayhorns erstes von Ellington interpretiertes Stück „Something to Live For“, das Titelstück der Scheibe mit Rosemary Clooney, „Blue Rose“, alte Ellington Schlachtrösser wie „Drop Me Off in Harlem“, „It Don’t Mean a Thing“ und „Take the ‚A‘-Train“ als Closer. „Sophisticated Lady“, zwei Takes von „Me and You“ und eine wundervolle Version von „Black and Tan Fantasy“ sorgen für ruhigere Töne, aber auch da streut Blake Dissonanzen ein, lässt der Musik Raum, bevor er wieder zupackend weiterschreitet – mit Anklängen ans Stride-Piano, mit satten Bass-Akkorden, heftigen eingestreuten Akkorden in der hohen Lage, gehämmerten, schimmernden Linien… und dann fällt er plötzlich aus all dem Skulptorischen in einen entspannten Groove.

Blake gelingt eine ganz persönliche Hommage, die immer wieder Ellingtons souveränes Piano-Spiel anklingen lässt, durchaus auch dessen manchmal in kleinen Gesten aufblitzende Grossspurigkeit aufgreift. Wie sich die Klangwelten von Ellington/Strayhorn und Blake vermischen, ist wunderbar zu hören. Die Gleichzeitigkeit von Kälte und Wärme bei Blake ist überhaupt ziemlich einzigartig, sein ganzer Sound sehr eigen. Mal klingt die Musik verträumt, mal melancholisch, mal nach einem Tagtraum, dann wieder swingt sie hart und zupackend, nur um gleich wieder in eine leicht morbide Stimmung zu fallen. Giddins meint, Ellingtons Musik sei „dreamy and disturbing and beautiful and silly and ebulliant and always swinging“ – ähnlich breit, ähnlich und doch anders im Charakter, ist auch Blakes Interpretation dieser Stücke.

--

"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba