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die livejazz-situation in berlin ist etwas merkwürdig. wenn wirklich berühmte leute in der stadt gastieren (ich denke jetzt z.b. an herren, deren name auf –arsalis endet) , spielen sie in einem l-förmigen raum, von dem 1/3 bühne ist (und das ist in diesem fall immer noch klein, obwohl ich in einer wahrscheinlich halluzinierten situation dort mal ein ganzes sun-ra-arkestra aufgestapelt gesehen habe), und in den rest passen höchstens 40 leute. absurderweise wird dazwischen noch so etwas wie tischbedienung versucht – ich glaube, dass manche allein wegen des körperkontakts hingehen. das ding heißt a-trane, liegt im gepflegten stadtteil charlottenburg und gestern und heute war & ist dort jason moran und sein „bandwaggon“ (also plus taurus mateen & nasheet waits) zu gast. ich war gestern da und möchte ein bisschen schwärmen.
da kommen also drei leute, die mit einigen musikern mehr gerade ein multimedia-monk-projekt vor großen europäischen menschenmengen aufführen (drei tage vorher waren es über 1000 leute in der philharmonie luxemburg), haben letztes jahr mit dem album TEN, das zehn jahre bandgeschichte feierte, die polls abgeräumt, deren frontmann ein stipendium nach dem nächsten bekommt (auf TEN gab es allein drei auftragswerke), für ein kurzes „erholungsprogramm“ (moran) ins a-trane und spielen vor 40 aneinander gedrückten menschen, von denen der entfernteste fünf meter vom schlagzeug abgerückt sitzt.
jetzt ist ja bandwagon ein ungewöhnlich lautes klaviertrio. auch wenn taurus mateen mit sonnenbrille so entspannt auf seinem stuhl sitzt, dass man denkt, er nicke regelmäßig ein, auch wenn alle drei ihre jackets, mützen und warmen pullover die ganze zeit über nicht ausziehen, haut einen diese wucht doch ziemlich vom hocker. ist ja auch ziemlich einfache groove music, meint moran. und schaltet seinen ipod ein, darauf spielt ein solo von roy haynes (60er), in das nasheet waits einfach einfällt – die band macht da weiter, wo haynes in den 60ern aufgehört hat, verstanden. manchmal kommt aber auch fats waller da raus, von dem moran eine kleine linie herausarbeitet, die er 30 mal wiederholt und sich plötzlich im groove befindet. ein conga-live-solo (keine ahnung woher) wird mit einer melodie übermalt wie früher schon mal türkische sprechtexte von einem anrufbeantworter. manchmal hört man einfach 2 minuten hiphop, dann schaltet moran aus und die band spielt was anderes. oder gladys knight, die quasi live gesampelt wird. jedes mal möchte man von seinem stuhl aufspringen, doch dann fiele man ja auf den nachbartisch. ich habe mich einfach ins regal gesetzt, die ankündigungen der jazz-werkstadt berlin beiseite geschoben und darauf geachtet, das foto eines live-konzerts von branford marsalis nicht von der wand zu fegen. also waren wir alle zum zuhören verdammt und konnten nicht ausflippen.
es war aber sowieso alles zu viel. zu viel ideen, zu viel gleichzeitigkeit an einem raum, zu viel energie, zu viel witz, zu viele aufgestauten emotionen, eine viel zu nette band. das alles passt nicht in einen raum, schon gar nicht in diesen. bei moran ist das aber kein postmodernes zitatensüppchen und kein posing – wie schnell er von fats waller im hiphop landet, wie pointensicher von da bei strawinsky und so weiter. das ist einfach alles angestaut und muss raus. und man findet dabei so toll, wie das groovt und wie komplex dabei noch harmonien evolutionieren, dabei ist bei moran alles sperrig, gegen das instrument, gegen das, was in der hand liegt, gespielt. gelernt hat er bei byard, mit ferienkursen bei andrew hill und muhal richard abrams. da perlen keine läufe, sondern ergeben erst auf höherer ebene sinn. im dialog mit dem brachialsubtilen schlagzeugspiel von nasheet waits zum beispiel. aber die drei sehen sich beim spielen noch nicht mal an. am ende gehen sie von der bühne, als hätte sie sich eine currywurst geteilt. und man weiß mal wieder, wo der hammer hängt, und was da raus muss, heute, im jazz. nächste woche kommt nicholas payton. den schwänze ich. aber dann: ambrose akinmusire. da setze ich mich wieder ins regal, auf die jazzwerkstadtflyer.
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