Re: Das Piano im Jazz

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gypsy-tail-wind
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Nat „King“ Cole ist ja bestimmt auch heute noch einigermassen geläufig, als Crooner, als grosser Sänger… aber schon zu Lebzeiten hat er sein grossartiges Piano-Spiel viel zu sehr vernachlässigt. 1937 gründete er mit Oscar Moore (g) und Wesley Prince, später Johnny Miller (b) das „King Cole Trio“, mit dem er bis ca. 1950 unterwegs war und für Capitol unzählige Aufnahmen machte (es gab davon mal eine 18CD- bzw 27LP-Box bei Mosaic – die grösste, die sie je gemacht haben, glaub ich… jedenfalls wenn man die drei Commodore LP-Sets separat zählt).

Ursprünglich spielte das Trio nur instrumentalen Jazz, dann begann Cole zu singen, das Piano-Spiel blieb jedoch ein zentrales Element des Sounds seiner Gruppe. In diesen Jahren spielte Cole auch als Pianist auf Sessions anderer Jazzer mit, so entstanden etwa zwei tolle Sessions mit Lester Young oder die Aufnahmen mit den Keynoters (Willie Smith, Red Callender, Jackie Mills – 1946-02-16 in Los Angeles). Auch trat er bei den ersten Jazz at the Philharmonic Konzerten auf – zu hören auf den frühesten Aufnahmen, die Granz davon veröffentlicht hat. Sein Trio beeinflusst auch deutlich die Spielweise von Oscar Peterson und anderen, was das Format betrifft (p-g-b) haben aber nicht nur Peterson sondern auch Art Tatum, Ahmad Jamal und andere bei Cole abgeschaut.
Cole als Pianist kann wohl als ein Bindeglied zwischen dem Swing und dem Bop betrachtet werden (ähnlich wie sein langjähriger Gitarrist Oscar Moore). Er pflegt einen einen linearen Stil („hornlike“) mit einem klaren, ziemlich harten Anschlag. Clyde Hart wäre wohl eine vergleichbare Figur, denke ich.

Mit dem zunehmenden Erfolg (der erste grosse Hit war 1943 „Straighten Up and Fly Right“) trat die instrumentale Seite jedoch zusehends in den Hintergrund. Cole begann auch mit Orchestern und Streichern aufzunehmen, mit Balladen wie „Unforgettable“ oder „Nature Boy“ wurde er mehr und mehr zum Crooner. Ich lese grad auf Wikipedia, dass das tolle runde Capitol-Hochhaus in Los Angeles auch bekannt war als „the house that Nat built“… er wurde zu einem der grossen Aushängeschilder und Hitlieferanten für das Label (das ja mit Johnny Mercer von Beginn an ein Bein im Jazz hatte und auch einiges an tollen Jazz-Aufnahmen produzierte… der Hinweis auf die vergriffene 12CD- bzw 19LP-Box Classic Capitol Jazz Sessions von Mosaic sei erlaubt).

Eine schöne Auswahl von besonders entspannten Aufnahmen – viele davon instrumental – erlaubt das 3CD Set mit den Capitol Transcriptions (das vor kurzem von EMI zumindest in den USA aus dem Katalog gestrichen wurde, es scheint aber auch hier schon im Verschwinden begriffen):

In den fünfziger Jahren war Cole dann mehr Popsänger als Jazz Singer/Pianist oder Pianist/Singer. Cole arbeitete mit Arrangeuren wie Nelson Riddle, Gordon Jenkins oder Ralph Carmichael, er nahm Konzeptalben auf („Cole Español“) und viele kitschige Sachen… das zog sich so dann auch in die Sechziger hinein. Sein Trio war auf Eis gelegt und wurde nur noch gelegentlich reaktiviert. So entstanden z.B. im August und September 1956 die Sessions, die als After Midnight veröffentlicht wurden: Cole spielte mit John Collins (g), Charlie Harris (b), sowie Lee Young (d) und Jack Costanzo (bgo,cga) und vier Gastsolisten (jeder einzeln): Stuff Smith (viol), Willie Smith (as), Harry „Sweets“ Edison (t) und Juan Tizol (vtb). Die Aufnahmen zählen zu den schönsten, die’s von Cole gibt!

1956/57 hatte Cole im NBC eine eigene TV-Show, anscheinend die erste von einem schwarzen moderierte Show in den USA überhaupt. Er scheiterte aber in mehrerlei Hinsicht, nicht nur, weil viele Sponsoren aus rassistischen Motiven absprangen. Cole setzte sich stets ein für die Anliegen der Afro-Amerikaner, wurde 1956 auch während eines Konzertes in Birmingham, Alabama, tätlich angegriffen (wonach er nie mehr in den Südstaaten auftreten sollte).

Cole starb 1965 an Lungenkrebs.

Sein jüngster Bruder Freddy (*1931) ist übrigens auch sehr hörenswert – auch er Sänger/Pianist, der dem Jazz allerdings soweit mir bekannt ist stets die Treue hielt – Anspieltipp: This Is the Life (Muse, 1993)

Aber bitte nicht Tochter Natalie… die tut mir v.a. einfach Leid, dass sie nicht aufhören kann mit ihren hilflosen Versuchen. Mehr als Kitsch ist da leider nicht zu erwarten…

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