Re: Das Piano im Jazz

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gypsy-tail-wind
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katharsisMan muss auch daran erinnern, dass – wenn auch in einer kleinen Rolle – Kelly an „Kind of Blue“ beteiligt war. Ich tendiere immer dazu, das nur Bill Evans in die Schuhe zu schieben!

Interessant ist übrigens, dass Du frisch und aufgestellt schreibst. Trotz des melancholischen Titels und des ausgewählten Materials kommt mir Kelly auf „Kelly Blue“ stets positiv und guter Dinge vor. Die Melancholie ist bei ihm sehr vorwärtsgerichtet…

Ja, die Miles-Aufnahmen sind allesamt sehr schön… die Blackhawk-Sessions zeigen, dass das wohl die ultimative Nachtklub-Band war! Das Carnegie-Konzert habe ich sehr gern, und „Someday My Prince Will Come“ ist das vergessene unter der Miles-Klassikern, vom Cover über „Old Folks“ bis zu den Guest-Spots von Coltrane und Philly Joe ein rundum gelungenes Album!
Es ist das einzige aus den Jahren 56-75, das nur teilweise (die Coltrane-Stücke) auf einem der luxuriösen Box-Sets enthalten war!

Kelly taucht ja zum ersten Mal bei einer der „Miles Ahead“-Sessions auf. Für „Freddie Freeloader“ war er der perfekte Pianist, für die anderen Stücke glaub ich, dass Billl Evans das wohl schon etwas besser hingekriegt hat, als Kelly… ausser vielleicht „All Blues“, da gibt’s von den Europa-Konzerten ganz wunderbare Versionen (v.a. die aus Zürich auf dem Jazz Unlimited Bootleg).

Spannend ist auch, Kelly auf den 1960er Sets zu vergleichen, auf denen man die März-Konzerte mit Coltrane und die Oktober-Konzerte mit Sonny Stitt hören kann (Paris und Stockholm). Auch Miles‘ Spiel verändert sich da ziemlich stark, im Frühling ist Coltrane der „Challenger“ und Miles tupft seine impressionistischen kurzen Soli hin, die Rhythmusgruppe ist gefordert aber v.a. in der Begleitung von Coltrane. Im Herbst dann mit dem viel konventionelleren Sonny Stitt (der allerdings in Tenor Battles äusserst ungemütlich werden konnte! Den darf man nie unterschätzen!) spielt Miles selbst wieder die erste Geige, sein Sound ist härter, seine Soli länger, sein ganzes Spiel ist stärker, „more poised“ oder so… und auch Kelly legt sich solistisch ins Zeug! Das geht dann langsam in die Richtung, wie man sie auf den Blackhawk-Sets hören kann.

Hab vorhin mal wieder zwei Stunden lang chaotisch geordnete CDs durchsucht und umgestapelt und dabei möglichst alles mit Kelly rausgenommen, was ich fand… „Cannonball Takes Charge“, Nat Adderley „Much Brass“ und „That’s Right“, Benny Golsons „The Modern Touch“ und „BG’s New York Scene“ (da kommt noch Contemporary dazu zur Liste der Labels, für die Kelly gearbeitet hat), Johnny Griffins „The Little Giant“ und „A Blowin‘ Session“, Jimmy Heaths „The Thumper“ und „On the Trail“ (mit Burrell und Chambers, die zuvor das Titelstück schon auf Kellys „It’s All Right“ aufnahmen und anscheinend Heath auf die Idee brachten), Blue Mitchells „Blue Soul“ und „Big 6“, Phil Upchurchs „Feeling Blue“, Art Peppers „Gettin‘ Together“, Dizzy Reece‘ „Star Bright“, Clark Terrys „Serenade to a Bus Seat“… dazu kommen dann noch die diversen Alben mit Cannonball, Lee Morgan, Wayne Shorter… war mir eigentlich gar nicht bewusst, dass Kelly auf so vielen tollen Alben zu hören ist!

Dann gibt’s noch drei 2CD Sets von der Left Bank Jazz Society, alle mit Tenoristen: Hank Mobley, George Coleman und Joe Henderson.

Und natürlich die Sessions mit Wes Montgomery (Full House und Smokin‘ at the Half Note).

Kelly ist übrigens auch auf der einen J.J. Johnson Blue Note Session ganz toll, und auch auf Clifford Jordans Strata East Album „In the World“ (wo auch Kenny Dorham, Don Cherry, Julian Priester, Wilbur Ware, Richard Davis, Albert „Tootie“ Heath, Roy Haynes und Ed Blackwell mitspielen – die Stücke mit zwei Bässen sind ganz toll, Dorham ist auch super, Cherry eher schwächer, fand ich, „noodling around a bit“).

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