Re: Bob Dylan

#302121  | PERMALINK

notdarkyet

Registriert seit: 15.04.2011

Beiträge: 701

bullschuetz

Das Basement-Buch ist durchaus faszinierend und erhellend – aber im Gegensatz zu Mystery Train habe ich da beim Lesen immer wieder gedacht: Kann er das nicht konkreter fassen und klarer ausdrücken oder will er nicht? Schon seeehr, sehr raunend. „Hochinteressant“? Teilweise schon. „Kurzweilig“? Na, ich weiß nicht.

Da habe ich schon eine ganz ähnliche Einschätzung. Gerade in den USA, dort v.a. natürlich in NYC, ist Marcus ja wegen seiner „Schwafelei“ zu Teilen schwer in der Kritik. Da wird ihm vor allem fehlende Recherche und zeitweise blühende Phantasie vorgeworfen…

Sein „Invisible Republic“ aber ist nicht zu ersetzen. Zum Einen, weil es das einzige umfassende Buch zu den Basement Tapes ist. Zum Anderen, und das finde ich bemerkenswerter, weil Marcus` Wissen und Fundus zur Geschichte amerikanischer Folkmusik in der Tat sehr umfassend ist.

Die z.T. sehr scharfe und auch persönliche Kritik an seiner Arbeit mag wohl auch an seiner streitbaren Rolle in der us-amerikanischen (Dylan)Kritikerszene liegen. Er gehört ja selbst zu den schärfsten Kritikern seiner Kollegen. Seine immer wieder geäußerte Haltung, er hielte nichts von Interpretationen und Auslassungen über Dylans Privatleben, hat so einige seiner Kollegen getroffen.
Ich mag seinen Ansatz eigentlich, auch wenn er ihm oft selbst nicht gerecht wird. Zuletzt las ich sein Interview in der Zeit (in dem er in für ihn typischer Manier auch kein gutes Haar am Film der Coen Brüder lässt…) mit dieser Stelle:

„ZEIT ONLINE: Bob Dylan hat sich und sein Image auch sehr bewusst inszeniert.
Marcus: Ja, aber er hat es geschafft, seine Privatsphäre zu schützen und so den Fokus der Öffentlichkeit auf seine Musik zu legen. Toll an seiner Autobiografie, den Chronicles, war doch, wie er – an nur zwei Stellen – „meine Frau“ erwähnt. Es geht nicht darum, dass da jeweils eine andere Frau gemeint ist, es geht nicht darum, wie sie war und warum sie sich scheiden ließen. Er beschreibt lediglich eine Situation bei sich zu Hause: Ich sitze rum, ich rede mit meiner Frau und aufgrund dieses Gesprächs kam ich auf diese oder jene Idee. Das ist wohl auch der Grund, warum beim Erscheinen eines neuen Dylan-Albums vor allem über die Musik geschrieben wird. Ist sie gut? Was passiert mit diesem Pastiche eines alten Bluessongs, den er sich zu eigen macht? Ist das ein emotionales Statement, durch das wir uns lebendiger fühlen, wenn wir es hören? Über Dylan als Person zu reden lohnt sich nicht, weil man über ihn nichts weiß.“

Will sagen: Marcus`“Invisible Republic“, verbunden z.B. mit Robert Sheltons Informationen zu den Basement Tape Sessions, macht Spaß. Wenn ich mir dazu noch die komplette Musik in guter Audioqualität vorstelle, könnten das nette Winterabende werden…

--