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bullschuetzKlar, Dylan ist immer ein windiger Zeuge. Ganz allein stand er mit der Wahrnehmung aber wohl nicht. Levon Helm: „The tour was damn good for our pocket-books, but it just wasn’t a very passionate trip for any of us.“
Spürbar ist natürlich, dass in diese Wertungen außermusikalische Einflüsse hineinspielen: das Gefühl, auf eine Legende reduziert zu sein, während die 60er-Konzerte pures Hier und Jetzt in epochaler Dramatik waren; ein Hadern und Zweifeln angesichts eines Publikums, das – vereinfacht ausgedrückt – bejubelt, was es vor ein paar Jahren noch geschmäht hat; der Eindruck, in einer Live-Maschinerie zu stecken, die immer aufgeblähter, massiver, industrieller und eigendynamischer wird, während die 60er-Konzerte in vieler Hinsicht (unter anderem der Erschließung neuer Auftrittslokalitäten) Pioniertaten waren. Offenbar fühlten sich die Hauptakteure dieses Tourgeschehens nicht sonderlich wohl. Hinzu kamen anscheinend Spannungen zwischen Dylan und Band (die ihrer Rolle als Schüler und Begleiter ihres Helden längst entwachsen waren).
„Before the Flood“ finde ich auch klasse! Apropos „Biss“ 66 versus 74 – da kann ich nur teilweise zustimmen. 74 sind manche Lieder von der Wucht her geradezu übertourig unterwegs, bolidenhaft, und vor allem der Gesang neigt eher zum Überpowern als zur Subtilität. Aber das macht zum Teil auch wieder den Reiz aus – mir gefallen die akustischen Dylan-Performances in ihrer bellenden 74er-Wucht mindestens so gut wie die traumwandlerischen, hochnuancierten, aber auch ganz schön müdegekifften Versionen des 66er-Akustiksets.
Ja, das Drumherum, das kann ich mir gut vorstellen, dass das eher drückend auf die Stimmung gewirkt hat. Ich glaub im „Musical History“ Set von The Band wird das auch ein klein wenig dokumentiert (die paar Stücke, die dort zu finden sind, sind allerdings grossartig wie überhaupt die ganze Box und der ganze offizielle Output von The Band!)
Das mit dem Biss bezog sich mehr auf das elektrische Set von 1966 – aber auch da würd mich Einsprache nicht überraschen… ich kann’s nicht viel besser formulieren, aber das Konzert, das auf „Live 1966“ zu hören ist, das elektrische Set dort, das ist existentiell, das übersteigt jegliche Erwartungen und Massstäbe (kein „z“ diesmal, sonst regt sich Onkel nail wieder auf ) – und das schlägt sich eben auch in der Musik nieder, die absolut zwingend ist.
Das fehlt in den 1974er Konzerten, auch wenn sie vielleicht streckenweise noch mehr Biss haben. Biss war wohl ein falsches Wort für das, was ich meinte.
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