Re: Bob Dylan

#300157  | PERMALINK

nail75

Registriert seit: 16.10.2006

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Speed TurtleMan könnte im Stile von Malte Lehming sogar noch weiter gehen und zu bedenken geben, dass diejenigen, die sich in Peking ein Dylan-Ticket leisten können, maßgeblich auch von jenem Teil der chinesischen Politik profitieren, der für die Abwendung von starren planwirtschaftlichen Dogmen hin zu Elementen „freiheitlicher“ Markwirtschaft steht. Daran könnte sich dann die Frage anschließen, ob damit nicht genau die „aufgeklärteren“ und zumindest potenziell kritischeren Bevölkerungsschichten erreicht werden, bei denen das Saatkorn der Subversion auf besonders fruchtbaren Boden fällt.
Das zeigt aber letztlich nur, wie wenig die Widersprüche dieses Landes mit unseren westlichen Maßstäben zu fassen sind. Dass der machtpolitische Frontverlauf nicht unbedingt mit dem der Wohlstandsverteilung identisch sein muss, ist ja für „kommunistisch“ regierte Staaten keinesweg untypisch, wiederum im Gegensatz zum Apartheid-Regime. Gerade in Kreisen wirtschaftlich eher „privilegierter“ Intellektueller, Künstler, Ärzte etc. gab es auch in der DDR schon die größte kritische Distanz zur Politik des „Arbeiter- und Bauernstaates“, weil dort die Grenzen der Freiheit und die damit verbundenen persönlichen Risiken natürlich am stärksten zu spüren waren.

Wir messen Dylan eben an den Gegebenheiten der 1960er, am Zusammenstoß der Generation, dem revolutionären und reformistischen Potential der westlichen Gesellschaften und stellen fest, dass China 2011 nicht die USA 1963 sind.
Überhaupt: Was erwarten wir eigentlich von Dylan? Dass er China 2011 revolutioniert? Interessiert uns auch nur ein kleines bisschen, was die Chinesen wollen? Wissen wir, warum sie auf ein Dylan-Konzert gehen? Wissen wir, was sie sich erhoffen/wünschen?

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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.