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Hab mir ein bisschen Mühe gemacht und alle bisher offiziell erschienen Dylan Alben reminisziert und nachgehört. Hier meine höchstpersönliche (und somit kaum objektive) Einschätzung. Nur Best Of Sachen und andere Zusammenstellungen mit größtenteils bekanntem Material mussten draußen bleiben.
Bob Dylan
Das Debut ist ein Kind seiner Zeit. Guter und entspannter Folk, mit einer Stimme vorgetragen, die Dylan älter scheinen lässt als er für viele Jahre war. Die Coverversionen drehen sich um die klassischen Themen Liebe und Leben auf der Straße. Für mich ist das Highlight dieser Platte die Eigenkomposition (eine von zwei) „Song To Woody“. Ehrlich und mit viel Gefühl vorgetragen lässt sie einen das Gespür für gute Songs ahnen, dass Dylan später auszeichnet. ***
The Freewheelin´Bob Dylan
Schon deutlich mehr Eigenkompositionen weißt seine zweite Platte auf. Dylan ist deutlich gereift und agiert musikalisch selbstbewusster. Man merkt dass er beim Erscheinen dieser Platte schon zu einer bedeutenden Person in der ProtestsängerInnenbewegung geworden ist. Dieses Selbstbewusstsein lässt ihn auch in seinen Liebesliedern nicht in Stich und er kann auf dieser Platte nicht nur zu seinen politischen Gegnern, sondern auch zu seinen Freundinnen ziemlich hart sein. Don´t think twice it´s allright. ****
The Times They Are A-Changin
Am Höhepunkt der Protestsänger-Phase bietet dieses Album das was alle von Dylan wollten: Protestlieder. Aber eine ganze Platte mit diesen zu füllen, macht die Sache ein bisschen mühsam. Obwohl das Album für mich einen der besten Protest Songs aller Zeiten (Hattie Caroll) beinhaltet sind meine Favoriten die beiden Lieder die keine Protest Nummern sind (Restless Farewell und One Too Many Mornings). Insgesamt trotzdem nur **1/2
Another Side Of Bob Dylan
Diese Platte ist das, was der Titel verspricht. Kein einziges Protestlied – fast alles dreht sich um die Liebe oder eben Nicht-Liebe. Selten singt Dylan so befreit, als ob er wirklich Spaß daran hat diese andere Seite zu präsentieren. ***1/2
Bringing It All Back Home
Dylans erste (zart) elektrische Platte. In kürzester Zeit aufgenommen jagt ein Highlight das andere. Lyrisch und musikalisch ein Höhepunkt seiner Karriere, strahlt dieses Album eine geradezu traumwandlerische Sicherheit und Intensität aus. *****
Highway 61 Revisited
Die erste Rock-Platte. Die E-Gitarre darf in den Vordergrund rücken und Dylan hat offensichtlich Freude dabei es krachen zu lassen. Für mich sind Queen Jane Approximately und das epische Desolation Row zwei Alltime-Favourites des Meisters. ****
Blonde On Blonde
Das Chaos von Highway 61 wird strukturierter, fragiler auch. Ein Nebel aus Quecksilber deckt dieses lyrische und musikalische Meisterwerk zu. Ein Höhepunkt folgt dem Nächsten, und es bleibt einem kaum Zeit zu atmen, so dicht ist hier alles. Die beste, durchgängig sehr, sehr gut hörbare Platte von Dylan. Ein Meilenstein *****
John Wesley Harding
Der Schritt zurück ins einfache, scheinbar simple countryinfiszierte Folk-Format. Kurze Songs, ohne offensichtliche Botschaft oder vieldeutige Sprachspiele. Ein Befreiungsschlag gegen alles Bedeutsame. ***1/2
Nashville Skyline
Noch mehr Country und Johnny Cash als Duettpartner. Während die Welt rundherum bebt, gibts hier beschauliche Zuckerwatte-Liebeslyrik und ein Stückchen Home-Sweet-Home für alle. ***
Self Portrait
Ein „offizieller Bootleg“ mit unterschiedlichem Material, dass offensichtlich so herumlag. Einige witzige Sachen sind dabei, doch leider auch viel Verzichtbares. **1/2
New Morning
Die Rückkehr von Bob Dylan. Allerdings nur auf den ersten Blick, denn viele der gewaltigen Sprachspiele und eingängigen Melodien sind zwar beeindruckend doch entwickeln sie sich kaum bei mehrmaligen Hören. Es wirkt alles ein bisschen berechnet und gefaked. Als großes Plus müssen allerdings die Jazzanleihen und das Pianospiel von Bob gesehen werden, beides kannte man vorher so nicht von ihm. ***
Pat Garett & Billy The Kid
Schöner Western-Soundtrack mit vielen Instrumental Nummern und dem Hit „Knockin´ On Heavens Door“. Ganz anders. ***1/2
Dylan
Die Rache der von ihm verlassenen Plattenfirma. Wer dieses Teil aus irgendwelchen Resten aus dem musikalischen Mülleimer zusammensetze lässt sich nicht mehr ausmachen, nachher wollte es keiner gewesen sein. *1/2
Planet Waves
Seine einzige Studio-Platte, die er mit The Band aufgenommen hat. In den Liedern geht es um Beziehungen, und nur vordergründig um die gelungene Ehe. Mein Liebelingslied ist Dirge, Trauergesang, und das sagt für mich schon viel über die Platte aus. Meiner Meinung nach sein am meisten unterschätztes Werk. Sie ist in ihrer zerbrechlichen Stimmung einfach unglaublich harmonisch. ****
Before The Flood
Ein Doppelalbum als Mitschnitt der 74er Tournee von Dylan und The Band. Größtenteils Sechziger-Jahre Hits im Hard Rock Gewande. Irgendwie trotzdem streckenweise seelenlos. Arbeit eben. ***
Blood On The Tracks
Das Trennungsalbum. Traurige Liebeslieder, unglaublich geschickt in Szene gesetzt von einer Wahnsinns-Band. Kann ich immer wieder durchhören. Auch lyrisch wieder unglaublich gehaltvoll. ****1/2
The Basement Tapes
1975 veröffentlicht auch wenn sie schon Jahre vorher im Keller von Pik Pink (dem legendären Haus der Band) entstanden sind. Ursprünglich nicht für die Veröffentlichung gedacht, haben diese alkoholgetränkten, einfachen und unbeschwerten Nummern etwas sehr intimes an sich das mich stets in ihren Bann schlägt. *****
Desire
Für mich seine beste Platte. Vor allem Scarlett Riveras unglaubliches Violinspiel gibt diesen verrückten Reisen in ein Land jenseits aller Erwartungen eine Aura des geordneten Chaos. Rock und Zigeunerfidel, arabischer Gesang und reine Poesie. *****
Hard Rain
Ein Konzertmitschnitt der zweiten Rolling Thunder Revue (Frühjahr 1976). Man spürt förmlich wie die MusikerInnen hier an ihre Grenzen gehen. Nicht nur das Material von Desire erfährt hier eine irrsinnig inspirierte Neubearbeitung. Es herrschen kollektive Extase, und kollektiven Depression vor, beide tragen jedoch stets chaotische Züge. ****1/2
Street-Legal
Ich kenne den Remix noch nicht, aber das Original ist einfach zu zuckerhaltig produziert. Die an und für sich starken Songs werden dermaßen schwülstig präsentiert dass selbst ein Teddybär sich von ihnen nicht hinter dem Ofen hervorlocken ließe. ***
Bob Dylan At Budokan
Seine Las Vegas Phase nannte es einmal jemand. Bombastische Pop-Rock Arrangements (mit gelegentlichen Ausflügen in die Reggae Richtung) bieten eigentlich unterhaltsame Kost, leider ist die Band hier eindeutig nicht gut eingespielt und vieles wirkt sehr statisch. ***
Slow Train Coming
Sein erstes christliches Album. Musikalisch unglaublich fein gemacht und auch die Texte lassen noch Platz für Interpretationen offen. Eine Offenheit die vor allem auch auf der Ehrlichkeit des Gesangs beruht, der so verwundbar ist, dass man nicht auf die Idee kommen könnte, dass hier ein Fundamentalist am Werke ist. ***1/2
Saved
Das Nachfolgealbum von Slow Train Coming. Der Sound ist leider ziemlich schludrig und die Texte unglaublich trotzig. Es gibt die Bösen und die Guten – du musst dich entscheiden! Das ganze wirkt einfach … trotzig. **
Shot Of Love
Das dritte „religiöse“ Album und doch auch mehr als ein solches, finden sich doch auch (schon) einige profane Songs darauf. Von Dylan selbst sehr hoch eingeschätzt und zeitgemäß produziert – von mir gibt’s ***
Infidels
Dylanologen mögen diskutieren mit welchen Songs und welchem Mix das Album besser geworden wäre, für mich ist es wieder eine Wendung im Werk Dylans. Und nicht die schlechteste. Weg vom Gospel und zurück zu Rock und politischem Topical Song ***
Real Live
Die Platte zur 84er Tour. Nicht gerade die besten Momente der Tour und eine eher steife, protzige Band. Die Solo-Sachen sind zwar besser, aber trotzdem nur **
Empire Bourlesque
Der Versuch auch in Discos anzukommen. War die erste Platte Dylans sehr klassischer Sixties-Folk, so ist diese sehr klassischer Eighties-Pop. Irgendwie auch konsequent ***
Knocked Out Loaded
Dylan scheinen endgültig die Ideen ausgegangen zu sein. Belangloser Rock und Bombast-Pop. **
Down In The Groove
Wer glaubte schlimmer als Knocked Out Loaded gehts nicht mehr, wurde hier eines besseren belehrt. Einzig „Death Is Not The End“ sticht hervor. *1/2
Dylan & The Dead
Ein Mittschnitt von einer Minitour mit den Grateful Dead. Das Projekt musste aus zahlreichen Gründen scheitern (ich hab dazu einmal was im Grateful Dead Threat geschrieben). **
Oh Mercy
Diese Platte ist eine echte Überraschung. Plötzlich schien Dylan wieder gute Songs schreiben zu können und die Stimme wurde dunkler und interessanter. Leider erstickt vieles im Lanoisschen Sound-Sumpf. ***1/2
The Bootleg Series (Rare & Unreleased) 1961-1991
Dem Fan hat diese Zusammenstellung viel Interessantes und dem Gelegenheitshörer einfach viel gute Musik geboten. ****
Good As I Been To You
Ein Album das ausschließlich aus Cover-Versionen uralter Folk-Nummern besteht. Solo zur Akustik – Gitarre eingespielt ist es eine wirkliche Offenbarung. Durch dieses Album wurde mir eine komplett neue Welt eröffnet. Die des Vorkriegs-Blues nämlich. ****1/2
World Gone Wrong
Der Nachfolger von Good As I Been To You basiert auf dem selben Konzept wie sein Vorgänger und ist um nichts schlechter. Nachhilfe in Sachen Musikkunde. ****1/2
MTV Unplugged
Zwei Dinge haben mich an diesem Album gewundert. Erstens das Dylan sich für so etwas hergibt, und zweitens, dass es funktioniert. ***1/2
Time Out Of Mind
Ein trauriges, endgültiges Album. Dylan singt wie wenn er nie weg gewesen wäre und nie wiederkommen würde. Altersweisheit, yes it is. Hier stört auch Lanois nicht weiter. ****
Bootleg Series Volume 4: Live 1966
Ein wundervoller Mitschnitt. Jedem der Dylan nicht kennt, kann ich nur wärmstens dieses Album als Einstieg empfehlen. Sowohl die akustische als auch die elektrische Hälfte des Konzertes reißen von der ersten Minute weg mit. *****
Bob Dylan Live 1961-2000
Verbindet viel Bekanntes mit einigem gutem Neuem (oder neu veröffentlichten). Trotzdem ein bisschen zu beliebig zusammengestellt. ***
Love And Theft
Dylan jenseits von gut und böse. So abgeklärt hat man ihn noch nie gehört. So klingt nicht das Idol der Sixties, sondern die Stimme des mythischen Amerika. Extrem vielseitig und doch unglaublich konsequent. Herrlich zeitlos. ****1/2
Bootleg Series Volume 5: Live 1975
Ein Mitschnitt eines Konzertes der ersten Rolling Thunder Revue. Leider kann der Geist dieser Tournee nicht ganz auf Datenträger gebracht werden. ****
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If you dance, you might understand the words better. David Byrne