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BrundleflyIch glaube immer noch, dass Du Dich größtenteils auf die Kölner Spex beziehst. Da war es tatsächlich so, dass einige Artikel ohne Basiskenntnisse von Deleuze/Guattari nur schwer genießbar waren. Das ist dann aber kein „Posertum“, aber es spricht dann nur einen geringen Teil der Leserschaft an. Aber wie pinch schon schrieb, war selbst damals die Autorschaft sehr heterogen. Bei der Berliner Spex habe ich solche Tendenzen eigentlich nie gesehen. Im Gegenteil, die heutigen Artikel sind eher von der Schreibe so, wie es in der Intro vor ca. zehn Jahren üblich war, bevor es dort immer verkürzter wurde. Das entspricht durchaus einem allgemeinen Trend im Musikjournalismus (hier bin ich voll und ganz bei bullschuetz). Ich hatte vor kurzem wieder eine Rolling Stone-Ausgabe von 1996 in den Händen, in der die meisten Artikel vom Sprachstil auch in die Spex von heute gepasst hätten.
Das hab ich gar nicht so unbedingt auf die Spex bezogen (die ich soo genau in den letzten Jahren auch gar nicht mehr verfolgt habe), sondern eher auf eine bestimmte Sorte Musikjournalismus.
Interessant finde ich Deine Anmerkung zu „einem allgemeinen Trend im Musikjournalismus“. Was meinst Du damit? Wenn ich Dich richtig verstanden habe, sprichst Du vom Trend zu einer „verkürzten“, ich würde sagen: standardisierten und an den Unterhaltungsjournalismus angeglichenen Darstellungsweise!? Da würde ich Dir recht geben, denn tatsächlich hat in den letzten zehn, zwanzig Jahren eine gewisse Professionalisierung in den einschlägigen Redaktionen gegriffen. Schau Dir mal x-beliebige Artikel aus dem ME der 80er Jahre oder auch aus der alten Sounds an, da war ja weiß Gott nicht alles Gold, was glänzte. Im Grunde ist dieses Zeitschriften-Segment ja aus einer Art Edel-Fanzines gewachsen. Ganz sicher hat die immer auch risikofreudige Spex ihre Verdienste, was einen gewisse, sagen wir: Kühnheit im Denken und im „Lesen“ der Entwicklungen angeht. Und auch in der sprachlichen Umsetzung. Ich würde mir heute etwas mehr von dieser Haltung bei den etablierten Heften wünschen.
Und was den Schreibstil angeht: Am Ende des Tages ist die Schreiberei eben auch ein Handwerk wie jedes andere. Ein guter Schreiber hat eine Palette von Möglichkeiten, die er je nach Notwendigkeit angemessen einsetzt. Eine Reportage verlangt eine anderen Ansatz als eine Rezension, und die ist wieder etwas anderes als ein Essay oder ein Interview. Im einen Format hat man mehr, im anderen weniger kreative Möglichkeiten. Wenn ein Schreiber sein Handwerk dann auch noch mit Kreativität, Originalität, Empathie, eigenständigem Denken und nicht zuletzt einer gewissen Distanz zu seinem Thema verbinden kann, dann kommt dabei auch was Gutes heraus. Und ob das dann nun im RS, in Spex, im ME oder in der Bildzeitung zu lesen ist, ist mir dann relativ wurscht…
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