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Anonym
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Der HofackerIch stehe auf dem Standpunkt: Wenn der Leser einen Satz zwei Mal lesen muss, um ihn aufzunehmen bzw. zu kapieren, dann hat nicht der Leser sondern der Schreiber was falsch gemacht.
Ich glaube, diese Behauptung ist heute in der Printmedienbranche nicht nur mehrheitsfähig, sondern geradezu kanonisiert, um nicht zu sagen dogmatisiert. Und das finde ich echt deprimierend. Diese „Im Journalismus darf ein Satz maximal 12 Worte haben“-Ideologie, die dem unaufmerksamen und schnellen Leser leichtes Futter geben will, ist so unambitioniert, so unherausfordernd. Mich schmettert die latente Selbstverachtung, die da drin steckt, immer wieder nieder: „Ich würde ja gern mal einen Schachtelsatz schreiben, aber wenn ich das tue, zappt der Leser weg und kommt nie wieder – also mach ich meine Sätze besser ganz klein und anschmiegsam und ungefährlich“. Ich bin ganz froh, wenn ich manchmal Texte vorgesetzt bekomme, deren Sätze ich zweimal lesen muss – und zwar zweimal konzentriert (und wenn ich danach innehalte, ins Grübeln komme, meine Gedanken abschweifen lasse und am Ende den Satz ein drittes Mal lesen muss – umso besser!). Ich mag wildes Denken und sperrige Sätze manchmal echt gern.
Und deshalb habe ich die Spex gemocht, wie sie war – manchmal kühn und inspirierend, manchmal verstiegen und verschwurbelt, manchmal fulminant, manchmal angeberisch, manchmal ärgerlich, immer wieder überraschend. Ja, manche Geschichten waren angestrengt und anstrengend ambitioniert, manchmal war das Gefälle zwischen hochfahrend-hermetischem Theoriejargon-Getöse und eher banalem Gehalt unfreiwillig komisch. Aber da wurde immerhin was gewagt, da wurde was gewollt, riskiert, probiert – manchmal ging es schief, manchmal glückte es furios. Jedenfalls hatte es nie was mit ödem Printservicedienstleister-Duckmäusertum zu tun. Ich fand die Spex selbst in ihren Momenten tragikomischen Missglückens oft noch anregender als manche RS-Ausgabe. Insofern teile ich die Sorgen der Spex-Stammleserschaft angesichts der Personalie Groß ausdrücklich.
Und natürlich ist „Rolling Stone“ ein im Pop-Diskurs männlich konnotierter Begriff, er steht prägnant für ein bestimmtes Männlichkeitsbild (um nicht zu sagen: -klischee). Lone Rider, Rolling Stone, Lonesome Cowboy, Cooler Streuner. So taucht er, worauf DanielBelsazar hinwies, bei Muddy Waters auf, so findet man ihn bei den Temptations, so stilisierten sich die Rolling Stones – und allenfalls bei Dylan beginnt der Begriff plötzlich reizvoll androgyn zu schillern.
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