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Anonym
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Die Analyse – Internet-Konkurrenz, Veröffentlichungsrhythmen, Fragwürdigkeit der einen Kritikerpapst-Meinung, wenn sie einen Monat hinterdreintrült – ist diskutabel. Die Antwort – „Pop-Briefing“ – überzeugt nicht; weder von der Grundidee, noch, was die bisherigen konkreten Umsetzungen betrifft.
Im Grunde ist es mir nach wie vor lieber, ich kann die fundierte Auseinandersetzung eines Einzelnen mit einer Platte lesen und mich an ihr reiben, als von einem Rudel Durcheinanderschwätzender – ekliges Wort: – „gebrieft“ zu werden. Und wenn derjenige, der die Platte bespricht, für mich eine verlässliche Referenzgröße ist (wenn ich zum Beispiel weiß, dass ich schon öfters gut gefahren bin, als ich seinen Empfehlungen gefolgt bin), ist es umso besser. Das Durcheinanderschwätzen kann ich dann nachher im Kreis der Freunde selber besorgen.
Mir kommt es insgesamt wie eine zwar modische, aber nicht sonderlich belastbare These vor, dass in unseren Zeiten die Stimme eines Einzelnen nicht mehr trage. In der Literaturwissenschaft gab es mal was ähnliches: Die Postmodernisten sagten, das Erzählen sei tot. 40 Jahre später lebt es aber immer noch und riecht noch nichtmal schlecht.
Nachvollziehbar ist aber die Sehnsucht, sich manchmal abzukoppeln von VÖ-Terminen. Ich gebe mal zu bedenken, wie es „Die Zeit“ mit manchen Büchern (natürlich nicht dem Hegemann-Ding, da mussten alle schnellschnellschnell sein) macht: Ein guter, kompetenter Autor bespricht das Buch nach gründlicher Lektüre und nachdem alle anderen Feuilletons schon damit durch sind – und eröffnet neue Blicke und Erkenntnisse, an denen die anderen in ihrer Hektik vorbeigestolpert sind.
So sollte man auch öfter mal mit Platten umgehen. Und deshalb hat es mir immer gut gefallen, wenn der Rolling Stone einen größeren Porträt- oder Special-Artikel um eine bewertete Auswahldiskographie ergänzt hat. Das empfinde ich als eine bessere Antwort auf die digitale Schnelllebigkeit als das „Pop-Briefing“.
Interessanterweise hat der Stone um diese Rezensionsform nie einen großen poptheoretischen Wind nach dem Motto „Wir erfinden die Gattung Rezension neu“ gemacht – und sie, soweit ich das sehe, leider mittlerweile wieder weitgehend einschlafen lassen. Sehr schade.
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