Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Solokünstler › Paul Weller › Re: Paul Weller
Paul Weller
Ein Tick zu wild für 54
Poplegende Paul Weller trotzt allen Krisen wie sonst nur das britische Pfund. Jetzt begeistert er in Huxley’s Neue Welt
Von Max Gösche
Eins wird sofort klar an diesem Abend: Der Mann ist eine Stilikone. Zumindest für Leute, die noch immer ihren Parka mit Tränen benetzen, sobald in der Ü-40-Disco „Wonderwall“ von Oasis erklingt. Für sie ist der 54-Jährige mit der Mod-Frisur und dem sonnenstudiogebräunten Gesicht die einzig verbliebene Galionsfigur englischer Rockmusik. Nicht zuletzt, weil er seit 35 Jahren allen Trends und Krisen trotzt wie das britische Pfund. Wer sich auf Paul Wellers mitreißende Darbietung im Huxley’s einlässt, weiß, warum.
Von der ersten bis zur letzten Sekunde rauschen die Musiker durch ein kraftvolles Konzert, von dem sich der eine oder andere Brit-Pop-Fan vor den Kopf gestoßen fühlen könnte. Denn Weller entzieht sich der üblichen Greatest-Hits-Show, spielt viele sehr brachiale Songs seines letzten Albums „Sonik Kicks“ und einige seiner Klassiker in rabiaten Versionen. Es dauert etwas, bis er sein auch nicht mehr taufrisches Publikum für sich eingenommen hat, doch wie er vor Energie förmlich explodiert, das sollte jeder Newcomer-Band die Schamesröte in die Gesichter treiben.
Das zackige Eröffnungsstück „Start!“ stammt aus den Jahren mit The Jam. Neuere Songs wirken dagegen fast einfältig. Aber selbst die schwächsten Nummern enthalten 100 Prozent Weller. In „Pieces Of A Dream“ und „Dragonfly“ wird der Ton gedämpft, psychedelische Klänge erfüllen den Raum. Weller wechselt entspannt zwischen Klavier und Gitarre. „How Sweet It Is“ zeigt, dass er auch die große Soul-Ballade beherrscht. Im großartigen „You Do Something To Me“ entlockt Gitarrist Steve Cradock seinem Instrument außerirdisch schöne Melodien. Die Musiker stellen sich voll und ganz in den Dienst ihres Herren, dessen Kunst immer einen Tick zu wild bleibt, um sich der Beflissenheit und Routine verdächtig zu machen.
Schlagzeuger und Perkussionist treiben die schweren Gitarren-Riffs unerbittlich nach vorn. Und wie bei jedem guten Rockkonzert verschwimmen die Songs bald zu einem einzigen Fanal. Weller fühlt sich sichtlich wohl, spuckt schon mal einen Kaugummi auf seine Monitor-Box, um sich eine Zigarette anzustecken. Um Rauchverbote schert er sich so wenig wie um musikalische Konventionen. Jemand, der Tradition und Experiment gleichermaßen verkörpert, weiß, was er sich erlauben kann. Dass er sich jetzt ausgerechnet mit Hilfe der psychedelischen Rockmusik der Spät-Sechziger noch einmal verjüngt, schließt gewissermaßen den Kreis von Wellers Schaffen. Statt altersmilde Gassenhauer zu singen, beackert er lieber seine E-Gitarre. Vielleicht ist Paul Weller, der mit Abstand britischste aller britischen Songwriter, der einzige Rockmusiker, bei dem Coolness und Wertkonservatismus vereinbar sind. Oder aber er ist einfach der Coolste, weil er ohne Allüren und große Gesten auskommt. Oder liegt es doch nur an der Frisur?
(Berliner Morgenpost)
--
"I spent a lot of money on booze, birds and fast cars. The rest I just squandered." - George Best --- Dienstags und donnerstags, ab 20 Uhr, samstags ab 20.30 Uhr: Radio StoneFM