Stina Nordenstam

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  • #27299  | PERMALINK

    punkcow

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 9,235

    Wie ich festgestellt habe, gibt es in diesem Forum inzwischen einige User, die das Werk – oder zumindest einzelne Alben – von Stina Nordenstam zu schätzen wissen.

    Leider gab es zu dieser Ausnahmekünstlerin aber nur einen relativ unglücklichen Thread mit unseliger Umfrage, weshalb ich hiermit einen Relaunch wage.

    Stina Nordenstam kommt aus Schweden und hat 1991 ihr erstes Album „Memories Of A Color“ veröffentlicht, welches wie sein 1994 erschienener Nachfolger „And She Closed Her Eyes“ sein drohendes Unheil nur bei genauem Hinhören preisgibt, wobei ich das Debüt zwar recht hübsch, aber eventuell etwas zu gefällig finde. „And She Closed Her Eyes“ kommt da schon ein wenig fokussierter und fülliger daher, wobei ich an dieser Stelle warnen muss: Stinas Stimme ist ganz sicher nicht jedermanns Fall, oft nur ein Wispern, manchmal – vor allem auf den ersten beiden Alben – kindlich. Auf eben diesen beiden Alben würde ich auch Jazz-Einflüsse verorten, auf jeden Fall ist die oft im Zusammenhang mit Stina Nordenstam kolportierte Bezeichnung „Dream Pop“ am ehesten mit dem Frühwerk in Verbindung zu bringen – wobei viele den Abgrund hinter der vermeintlichen Lieblichkeit überhören. „Little Star“ von „And She Closed Her Eyes“ war später auch sehr kurz in dem Film „Romeo & Juliet“ von Baz Luhrmann und auf dem dazugehörenden Soundtrack zu hören.

    Wie falsch eine Aburteilung von Stina Nordenstam als niedliche Sängerin ist, sollte spätestens nach dem Hören des dritten Albums, „Dynamite“ klar werden. Ich lehne mich jetzt weit aus dem Fenster: wäre diese Welt eine gerechte, müsste dieses Album in der eben-nicht-Pop-Historie direkt neben „Tilt“ von SCOTT WALKER und dem Werk von JOY DIVISION stehen. Hier schlägt sich die Gewalt auch in der Musik nieder, hier weht der eiskalte Sturm des Wahnsinns um die Behausung des hoffnungslos eingeschneiten Hörers, die Rasierklinge griffbereit, aber unangetastet. Hoffnung ja, aber vage, sehr weit weg. Wie kann man angesichts dieser Lieder auch an Erlösung denken, während der Vergewaltiger in der dunklen Ecke lauert und ein Kind nach seiner Ermordung im eisig-kalten Nass dahintreibt, endlos, sich verlierend? Liebe ist in diesen Liedern zwar eine Rettung, aber eine trügerische, das titelgebende Dynamit. Selbst ein Kind namens Mary Bell detoniert in der Dunkelheit und reißt seine Familie mit sich. Nach diesem Album kann nach all seiner schrecklichen Schönheit des Terrors eigentlich nur noch Schweigen herrschen.

    ….

    Dennoch, es ging weiter, und zwar mit dem Cover-Album „People Are Strange“. Der Titel weist bereits auf die Adaption des Doors-Songs hin, des weiteren lässt Stina Nordenstam unter anderem das Gerippe eines Segelboots durch den Nebel treiben („Sailing“ von Rod Stewart) und Leonard Cohen kommt – es bietet sich an – zu verfremdeten Ehren. Zwar nicht ganz so dunkel wie der Vorgänger, welcher ohnehin kaum zu toppen ist, aber Liedgut wie „Purple Rain“ von Prince erscheint nicht unbedingt fröhlich, was so auch gut ist. Alles in allem ein würdiger Nachfolger des Meisterwerkes.

    Auf die nächste Platte mussten wir vier lange Jahre warten, wobei „This Is Stina Nordenstam“ im Vergleich zum bisherigen Oeuvre fast poppig und modernisiert daherkam. Keine Frage, ebenfalls ein sehr schönes Album, angesichts der Unfassbarkeit der Geschehnisse im Nordenstam’schen Universum eine halbe Dekade früher aber fast eine kleine Enttäuschung – was aber gewiss ein ungerechtes Urteil ist.

    Zuletzt durften wir uns im Jahre 2004 wieder über den Besuch von Stina freuen, welche sich bei uns gerne von den Plattenfirmen-bedingten Turbolenzen erholen durfte, hatte sie doch ein wunderbares Album namens „The World Is Saved“ dabei. Eine mutige Ansage, führt doch das Kampfflugzeug in „125“ sicher nichts Gutes im Schilde. Schon die Song-Titel weisen wieder in die Richtung von „Dynamite“, wobei die Musik ungleich heller und zugänglicher ist.

    Leider existiert die tolle offizielle Webseite (CQD) nicht mehr und der
    mutmaßliche inoffizielle Nachfolger befindet sich noch immer im Aufbau.

    --

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      #3744331  | PERMALINK

      green-cloud-of-happiness

      Registriert seit: 20.07.2005

      Beiträge: 24

      Hervorragende Künstlerin. „The World is saved“ hat sich zu meinem Lieblingsalbum von ihr entwickelt. Hochkomplex und voller brillianter musikalischer Einfälle. Sie scheint wirklich immer besser zu werden.
      Und daß ihre Stimme in 90% aller Reviews als niedlich beschrieben wird, nervt mich mindestens so sehr wie Punkcow. Stina Nordenstam hat zu viel Tiefe um als „niedlich“ abgefertigt zu werden. Wenn schon, dann „niedlich-neurotisch“. :lol:

      --

      #3744333  | PERMALINK

      superhedi

      Registriert seit: 23.01.2003

      Beiträge: 737

      Erstmal Dank an Punkcow für den Thread.
      Grossartige, nicht niedliche Künstlerin. Ihr Debüt und ihr letzes Werk kenne ich leider nicht, sind aber auf meiner Einkaufsliste.
      Leider tritt sie nicht live auf. Würde sie gerne mal sehen.
      Zu erwähnen wäre noch ihre Zusammenarbeit mit Yello für ihr Song „To the sea“ vom Album „Pocket Universe“. Sehr Stück, sogar die House/Dance Version.

      --

      TO INFINITY AND BEYOND ....
      #3744335  | PERMALINK

      dangerbird

      Registriert seit: 02.04.2005

      Beiträge: 13

      Gut beschriebene Kurzbio über diese einzigartige Künstlerin.
      Gerade bei Stina Nordenstam ist es schwierig gewisse Alben hervorzuheben, da diese extrem stimmungsabhängig sind.
      Ich persönlich fand die letzten beiden etwas zun glatt, aber im Gesamtkontext passt es denn wieder.
      Jedenfalls eine Künstlerin die „GottseiDank“ nicht für alle da ist, und es hoffentlich auch in Zukunft nicht will.
      Interessant ihre Aufnahme mit Vangelis, richtig dieser Vangelis.
      Ansonsten relativ schlimm, hat diese Aufnahme „Ask the mountains“ eine tolle schwebende Stimmung.
      Hoffentlich hört man hier mal ein paar Stina -Neuigkeiten.
      Ihr Konzert letzt in Hamburg war genial.

      --

      Keep on rocking...
      #3744337  | PERMALINK

      superhedi

      Registriert seit: 23.01.2003

      Beiträge: 737

      dangerbird
      Interessant ihre Aufnahme mit Vangelis, richtig dieser Vangelis.
      Ansonsten relativ schlimm, hat diese Aufnahme „Ask the mountains“ eine tolle schwebende Stimmung.
      Hoffentlich hört man hier mal ein paar Stina -Neuigkeiten.
      Ihr Konzert letzt in Hamburg war genial.

      Wo ist die Aufnahme mit Vangelis zu finden?
      Und wieso macht sie eine Show in Hamburg obwohl sie nicht live auftreten will? :confused:

      --

      TO INFINITY AND BEYOND ....
      #3744339  | PERMALINK

      dangerbird

      Registriert seit: 02.04.2005

      Beiträge: 13

      Sehr aufmerksam, — war natürlich n Scherz mit dem Konzert.
      Die Aufnahme ist auf der Vangelis CD „Voices“. Track 5 knapp 8 schöne Minuten

      --

      Keep on rocking...
      #3744341  | PERMALINK

      patilon

      Registriert seit: 12.09.2005

      Beiträge: 1

      Prädikat großartig auch von meiner Seite und ich finde auch,
      dass das nächste Album wieder etwas weniger glatt werden dürfte,
      auch wenn ich die letzten ebenfalls für unentbehrlich halte.

      hat jemand noch nordische tipps in der richtung ?
      wichtiger als frauengesang ist mir eigentlich diese lofi/triphop richtung,
      dieses zerbrochene, kaputte (wie z.B. bei under byen und slowblow).

      --

      #3744343  | PERMALINK

      punkcow

      Registriert seit: 08.07.2002

      Beiträge: 9,235

      patilonhat jemand noch nordische tipps in der richtung ?
      wichtiger als frauengesang ist mir eigentlich diese lofi/triphop richtung,
      dieses zerbrochene, kaputte (wie z.B. bei under byen und slowblow).

      Leider nicht wirklich, aber höre vielleicht in „Among My Swan“ von MAZZY STAR rein.

      Sollte jemand tatsächlich eine Empfehlung haben, die wirklich zu Deinen Suchkriterien passt, bin ich auch ganz Ohr.

      --

      #3744345  | PERMALINK

      sokrates
      Bound By Beauty

      Registriert seit: 18.01.2003

      Beiträge: 18,892

      Auf die Stimme kann ich nicht immer, war aber neulich erfreut überrascht, sie wiederzuhören, und zwar im Eröffnungslied auf der neuen David-Sylvian-(bzw. Nine Horses-)CD Snow Borne Sorrow.

      --

      „Weniger, aber besser.“ D. Rams
      #3744347  | PERMALINK

      punkcow

      Registriert seit: 08.07.2002

      Beiträge: 9,235

      --

      #3744349  | PERMALINK

      hipecac

      Registriert seit: 18.09.2006

      Beiträge: 1,020

      Habe nur die „Dynamite“ , in der Tat ein wunderschön verstörtes Stück Musik.

      #3744351  | PERMALINK

      punkcow

      Registriert seit: 08.07.2002

      Beiträge: 9,235

      Punkcow2006 wird auch ein neues Stina Nordenstam-Album erscheinen.

      Wo das wohl wieder bleibt…?

      --

      #3744353  | PERMALINK

      punkcow

      Registriert seit: 08.07.2002

      Beiträge: 9,235

      Times A´(Und zu Stina Nordenstams „Dynamite“ komm ich die Tage noch, auf dem Plattenteller liegt sie schon (ist ja Winter)und erinnert mich immer an Punkcow. (und mein schlechtes Gewissen);-)

      Ich bin schon sehr auf Deine Meinung gespannt!

      --

      #3744355  | PERMALINK

      times-achangin

      Registriert seit: 09.09.2005

      Beiträge: 2,053

      Zu „Dynamite“:
      Ich war ja schon vorbereitet und positiv vereingenommen, weil ich den Track „The Man With The Gun“ schon länger höre.
      Wenn ich intensiv Musik höre, dann achte ich nicht nur auf die Texte, sondern sehe die aus der von der Musik erzeugten Bilder. Hier steigen sie aus dem Nebel auf, in eine von klirrender Kälte und roher Gewalt beherrschten Welt. Da ist sie,diese Stimme, die zunächst zerbrechlich und schwach erscheint, und diese Musik in Verbindung mit der Stimme, die dann wie ein winziger Funke etwas Licht und Wärme erzeugt.(Gerade weil sie nicht die Antworten bereit hält, aber schonungslos im Schildern des „How it is“ ist.)
      Das ist keine Heile-Welt Platte, hier sind die Messer zum Angriff geschliffen. Wie eine tickende Zeitbombe (siehe Titeltrack , Dynamite) erzeugt diese eher dunkle Platte eine ungeheuere Spannung und es gelingt ihr in die Spannung hinein diesen Glücksschauer (den ich Musikverwöhnter nicht mehr so oft erlebe) zu erzeugen.
      Ein Meisterwerk, das durchaus mit den dunklen Werken von Scott Walker (The Drift, TILT,..) auf einer Ebene liegt. Klare *****

      --

      #3744357  | PERMALINK

      punkcow

      Registriert seit: 08.07.2002

      Beiträge: 9,235

      Danke Dir Edwin für diese treffende Beschreibung von „Dynamite“. Ich habe das Gefühl, mir (bzw. Stina) mit „The Man With The Gun“ bei StoneFM nicht gerade viele Freunde gemacht zu haben, umso schöner also, dass dieses Album doch bei jemandem so wirkt wie bei mir und Du auch meinen Vergleich mit Scott Walkers Großwerken nachvollziehen kannst.

      --

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