Re: Lucinda Williams

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krauspop
Oo and Drums

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Die Gästeliste war auch da:

12.11.2007
http://www.gaesteliste.de/konzerte/show.html?_nr=1573

Come on!

Lucinda Williams

Köln, Kantine
12.11.2007

Aufgrund zögerlicher Vorverkäufe war das Konzert von Lucinda Williams vom doppelt so großen Tanzbrunnentheater in die Kölner Kantine verlegt worden und zusätzlich der WDR als Sponsor hinzugebeten worden. Es war ja sowieso schon fast verdächtig, dass die Grande Dame des alternativen Country Rock ausgerechnet in der mehr für hippe Club-Sounds berüchtigten Domstadt zu Gast war. Das hatte alles seine Vor- und Nachteile. Der Vorteil war der, dass die Kantine auf diese Weise gut gefüllt war und Lucinda Williams offensichtlich aufrichtig von der Begeisterung und Atmosphäre inspiriert war. Der Nachteil war der, dass die Kamerateams des WDR den gewöhnlichen, zahlenden Fan – wie üblich – auf die Plätze verwiesen. Aber was soll’s: Unter dem Strich geriet diese Show dann zu den unerwarteten Konzert-Highlights des Jahres.

Kollege Carsten Wohlfeld geriet ja anlässlich der 03er-Williams-Tour vollkommen aus dem Häuschen und überschlug sich geradezu mit Superlativen. Damals lobte er, dass Lucinda Williams alles perfekt machte. Interessanterweise war das dieses Mal anders: Gleich zu Beginn verhedderte sie sich mit der Technik und das setzte sich im Konzertverlauf auch munter fort. (Wie man liest, war das bei anderen Shows auf dieser Tour auch so.) So mussten gleich mehrere Tracks mehrmals angesetzt werden und rein spieltechnisch hätten Puristen und Technokraten vermutlich das eine oder andere auszusetzen gehabt. Aber: Dennoch war diese Show der Anwärter für das Konzert des Jahres. Einfach deswegen, weil Lucinda ihre in 54 Jahren angesammelten Songs nicht einfach spielt, sondern auslebt. Bestes Beispiel hierfür: „Out Of Touch“ – nach wie vor eines ihrer besten Stücke – das hier zu einer munteren Rock’n’Roll-Orgie mit minutenlangen Gitarrensoli und jeder Menge Drive geriet. Zum Schluss gab’s ein Bussi für Gitarrist Doug Pettibone (der seinem Effktboard von der Größe eines mittleren Postleitzahlenbereiches stoisch die jeweils passenden Sound entlockte) und strahlende Gesichter allenthalben – und zwar vor wie auch auf der Bühne. Doch damit nicht genug: Von diesem Kaliber hatte Lucinda noch mehr in Petto. Sei es „Come On“ vom neuen Album „West“, dessen Refrain Lucinda mit vollem Körpereinsatz geradezu inbrünstig klagend hinausheulte oder einen neuen Song namens „Honeybee“ – eine punkige Rocknummer, die selbst Patti Smith nicht besser hinbekommen hätte. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Lucinda Williams verkaufte sich hier keineswegs nur als Rockerbraut. Die typischen Lucinda-Balladen wie „Rescue“, „Ventura“, „Bus To Baton Rouge“ – ein Stück über ihre Jugend und Heimat – oder „Drunken Angel“, dessen Entstehungsgeschichte sie anhand einer Kurzbiografie des zugrunde liegenden Blaze Foley sie ausführlich (und im breitestmöglichen Südstaaten-Slang) erläuterte, zeigte sie in allerbestem „Unsuffer Me“-Modus. Doch es gab noch weitere Facetten zu entdecken.

Anhand des vom Rolling Stone als „Hip-Billy“ eingestuften, für Country-Fans sicherlich fast modernistischen „Watch You Sleep“, erklärte Lucinda ihr Verhältnis zu Moderne: Hip Hop sei ja schließlich aus dem Talking Blues des Mississippi entstanden und somit auch für jemanden wie Lucinda Williams vollkommen legitim als Inspirationsquelle. Lauryn Hill habe sie zum Beispiel gehört, als sie an dem Song arbeitete. Nicht nur, dass sie mit der beinahe ungetarnten Rap-Nummer „Wrap Around My Head“ von West diesbezüglich noch eins draufsetzte (nun gut: Der Text wurde teilweise abgelesen – er ist aber auch sehr wortreich): Gegen Ende der Show, im nicht enden wollenden Zugabenblock, entführte die Songwriterin das erstaunte Publikum dann noch in die Welt ihrer Inspirationen und spielte eine obskure Blues-Nummer nach der anderen – immer mit der Erklärung, wer dieses Stück in welcher Version wann gespielt hatte und warum sie dieses nun tue. (Z.B: „I Live My Life“, eine Fats Domino-Nummer, die sie über Richard Hell entdeckt habe). Damit war es aber immer noch nicht getan: Abgerundet wurde die Show durch eine ziemlich werksgetreue, aber trotzdem Gänsehaut-erzeugende Coverversion von „Riders On The Storm“ und einer – zunächst gegen die Wand gefahrene, dann aber umso eindringlichere Akustik-Solo-Fassung des von Mary Chapin Carpenter bekannt gemachten, ersten Lucinda-Hits „Passionate Kisses“. Lucinda geht mit ihrer Karriere mittlerweile recht locker um. So wies sie nicht ohne Stolz darauf hin, dass ihr offizielles Debüt 1988 auf dem Indie-Label Rough Trade erschien. Lange ist’s her! Dass diese Show also so gut geriet, lag schlicht daran, dass Lucinda Williams hier ihr Innerstes nach außen kehrte, alles zeigte und gab, was sie zu bieten hatte, und das auch noch in allerbester Laune. Die ausgezeichnete „Badass“-Band, die übrigens mit The Chet und Drummer Butch Norton aus 2/3 der Eels bestand, und über gleich zwei Pedal-Steel-Gitarren verfügte, war da nur der Zuckerguss auf dem Kuchen. Schön, dass es noch Leute gibt, die – wenn die Bedingungen stimmen, wie hier – ihrer Reputation auf eine so überzeugende, sympathische und unterhaltsame Weise gerecht werden.

Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-

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