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dieser bericht aus der hauptstadt ist doch durchaus aufbauend. :teufel: allerdings wäre ich gegen ein „etwas spritziger[es]“ auftreten.
jungewelt.de 09.11.2007 / Feuilleton / Seite 12
Zum Inhalt dieser Ausgabe |Weiße Intarsien
Lucinda Williams, die große Lady des Countryfolk, war in Berlin
Von Klaus Bittermann
Lucinda Williams paßte ins Berliner Schiller-Theater wie Rod Stewart ins SO36, nämlich gar nicht. Bei Country-Konzert fällt mir immer die Szene in »Blues-Brothers« ein, als ein Gitter vor der Bühne heruntergelassen wird, das die Bierflaschen abfängt. die nach der Band geworfenen werden. In der Tat hätte ich am Mittwoch abend gegen ein bißchen mehr Stimmung und Cowboy-Hüte nichts einzuwenden gehabt. Getränke waren verboten, Rauchen sowieso, und so saßen wir nach den drei Theatergongs tief in unseren Theatersesseln und klatschten brav Beifall, als die große Lady des Countrysongwritings die Bühne betrat. Sie war schon mit Dylan unterwegs gewesen, ihre Lieder wurden unter anderem von Tom Petty, Emmylou Harris und Otis Redding gecovert. Für »Car Wheels on a Gravel Road« bekam sie 1998 einen Grammy.
Die Bandmitglieder, alles exzellente Musiker, nahmen ihre Positionen ein. Und da standen sie dann auch, steif wie angewurzelt. Zu Beginn des Auftritts paßte sich Lucinda Williams perfekt der Trägheit ihrer Musik an. Das Gewagteste waren die weißen Stickereien auf ihrem linken Blue-Jeans-Bein. Da stand sie mit ihrer Gitarre am Mikrophon, ging ab und zu mal ein bißchen in die Knie, wiegte sparsam ihre Hüften, linste angestrengt auf ihr Textkonvolut, das vor ihr lag, und wenn ein Gitarrensoli einsetzte, verzog sie sich ein paar Schritte nach hinten und ruderte merkwürdig arhythmisch mit den Armen.
Aus dem Sesseln reißt einen das nicht gerade. Aber man hatte ja immerhin noch die Möglichkeit, einfach nur ihrer rauhen, verruchten Barfraustimme zu lauschen, wenn sie ihre hinreißenden Balladen sang, von Einsamkeit, Schwäche, Tod, Selbstmord, unglücklicher Liebe, betrunkenen Engeln. Doch leider wurden ihre Zwischenmoderationen immer bräsiger. Nachdem sie schon seit über 30 Jahren im Geschäft ist, wäre es keine schlechte Idee, wenn ihr vielleicht jemand sagen würde, daß sie sich ein paar bühnentaugliche Sätze zurechtzimmern und ein bißchen spritziger auftreten sollte. Das jedenfalls hätte das »intelligente Publikum«, bei dem sie sich ständig bedankte, dann auch verdient gehabt. Aber so what. Da war ja noch ihre Stimme, die »Not a day goes by I don‘t think about you« hauchte, einen Song, den ich aus Gründen des Liebesschmerzes mal eine ganze Nacht lang hörte. Sowas prägt.
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Dirty, dirty feet from the concert in the grass / I wanted to believe that freedom there could last (Willy Mason)