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Einmal halb/Pro:
Die eigenen Songs als Trostspender
Von Heinrich OehmsenHamburg –
Der Ruf, der ihr vorauseilt, ist enorm. Von einem „weiblichen Bob Dylan“ ist im Pressetext ihrer Konzertagentur die Rede, ihr Album „West“ wird im Frühjahr Platte des Monats im „Rolling Stone“, Grammys räumt Lucinda Williams fast jedes Mal ab, wenn sie ein neues Werk veröffentlicht. Doch ihr Konzert in der Fabrik will nicht recht in Gang kommen. Die ersten Songs schleppen sich müde dahin, so als würde man mit 55 Meilen über einen der endlosen schnurgeraden Highways durch den Mittleren Westen der USA fahren. Die Lieder scheinen wie gemacht für eine Truckerkneipe, in der die Cowboyhut tragenden Gäste an der Theke in ihre Gläser stieren und diesen Countryrock nur als Hintergrundgeräusch wahrnehmen.Dabei sind die Songs von Lucinda Williams als Berieselung viel zu schade. Sie singt über Lebensschmerz, meistens nach dem Ende einer Liebesbeziehung, und über das Weiterleben. „I’m learning how to live / without you in my life“,heißt es in „Learning How To Live“ von ihrem aktuellen Album „West“. Sie spendet sich selbst in diesen Songs Trost, doch sind sie eigentlich zu intim für eine öffentliche Darbietung. Ihre Größe entfalten diese Lieder, wenn man sie allein hört, am besten in einem dämmerigen Raum.
Leider sind auch die Ansagen und Moderationen der 54 Jahre alten Sängerin eher desillusionierend, denn Lucinda Williams spricht breites Amerikanisch, das einen etwas ordinären Touch hat, der wiederum so gar nicht zu ihren traurigen Liedern passt.
Nach gut einer halben Stunde steigt die Betriebstemperatur von Williams und ihrer vierköpfigen Band dann doch noch. Die Gitarren werden lauter, das Tempo nimmt zu. Bei „Come On“, von der Blondine mit der petzigen Frisur als Gegenentwurf zu männlichem „Cock-Rock“ angesagt, könnte man bei geschlossenen Augen glauben, Neil Young und Crazy Horse seien plötzlich aufgetaucht, so metallisch klingen die drei Gitarren plötzlich. Im Konzert in der Fabrik sind diese lauten Nummern die besten Momente, im heimischen Wohnzimmer bleiben es die Balladen.
Und das mit dem „weiblichen Dylan“ stellt sich dann doch als arge Übertreibung heraus.
(Abendblatt)
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