Re: Eric Dolphy

#2705609  | PERMALINK

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This charming man

Registriert seit: 04.05.2003

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Schönen Dank, Hat.
Mit vielem hast Du sicher Recht. Etwa was die Rezeption durch das Publikum (auch in Europa) betrifft. Oder was das erschreckende Unverständnis der „Kollegen“ angeht. Du hast MD als Beispiel genannt, doch hat diese von Missgunst oder Verkalkung geprägte Distanzierung von neuen Klängen ja leider eine lange Tradition in der Jazzgeschichte. Neben dem jahrelangen Hohn und Spott, den Louis Armstrong über den Bebop ausschüttete, sind Frank Sinatras gehässige Tiraden wider Elvis nur eine situative Entgleisung.
Falsch liegst Du mit Deiner Geringschätzung der Jazz-Kritik (jaja, die Downbeat-Schreiber waren weiß und für gewöhnlich auch älter als die Künstler, deren work in progress sie kommentierten). Aber es waren sie, die Charlie Parker „entdeckten“ und aufs Podest hoben, als er noch in New Yorker Appartments fast ohne Publikum auftrat, es waren sie, die Armstrong und Konsorten der Lächerlichkeit preisgaben ob ihrer Anti-Bop-Ausfälle, es waren sie, die Bird die Stange hielten, als er an der Nadel hing, als sein Kind starb und ihn die Veranstalter und auch die meisten Kollegen bereits abgeschrieben hatten. Ähnliches ließe sich über die Rezeptionsgeschichte Coltranes und anderer sagen. Monk scheint mir schon garnicht als Beispiel für Deine These zu taugen, daß die Jazz-Kritik den Entwicklungen hinterherhinkte. Der Mann schlurfte auf die Bühne, langte in die Tasten, „tanzte“ in Trance und verschwand wieder, ohne das „Publikum“, das oft genug nur aus ein paar Kritikern bestand, zur Kenntnis zu nehmen. Auf Deine Pfui!s möchte ich hier nicht eingehen, daß Dir das Modern Jazz Quartet nicht behagt, kann ich nachvollziehen, aber die Wirkung des Cool Jazz auf seine Radiotauglichkeit zu reduzieren, ist verkürzt. Back to Dolphy: Er entwickelte eine Art Amerika-Phobie zur Zeit von „Out To Lunch!“, die ich ursächlich mit den Verrissen dafür in Verbindung brachte. Möglicherweise fälschlich (das betraf ja gerade meine obige Frage), dem werde ich nachgehen. Wie Dolphy weitergemacht hätte? Er hätte sich vermutlich resignierend als Flötist Blood, Sweat & Tears angeschlossen. Just kiddin‘.

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