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Dazu eine Frage: Was muss für euch eine Single leisten, löst die heutige Form der Single dies ein?
Eine Überlegung, die bei mir vom Film kommt: Das was man früher den „Europäischen Kunstfilm“ (lächerliche Bezeichnung, heisst aber nun mal so) nannte, und der von Godard, Bergman, Antonioni etc. verkörpert wurde, besteht heute weiterhin, und es drehen sogar noch die gleichen Regisseure, aber er hat seine Berechtigung dadurch verloren, dass er
a) nicht mehr eine Masse erreicht (was nicht schlimm ist)
b) um Punkt a) weiß, und deswegen auch nicht mehr für die Masse konzipiert wird
(was sehr schlimm ist)
Sprich: Eine (Kunst-)Form besteht weiterhin, aber sie weiß um ihre geringe Wirksamkeit, und begnügt sich damit, eben nur noch für ihr Publikum zu produzieren. Einen neuen Godard Film schaue ich mir nicht an, weil er eben nur für mich/meinesgleichen gemacht wurde. Er erklärt und zeigt mir Sachen, von denen er weiß, dass sie mir gefallen werden. Damit verliert das seine Daseinsberechtigung.
Zurück zu den Singles:
Singles, so weit ich sie verstehe, sollen nicht massentauglich sein, d.h. für die Masse per se konzipiert sein (Punk bediente kein medial bereits bekanntes Bedürfnis als Rezept), sollten allerdings so konzipiert sein / darauf aus sein eben grosses zu bewirken, alles und jeden durchzurütteln. Die Rolling Stones schrieben ihre Songs nicht zielgerichtet, aber „Satisfaction“ sollte jeden umhauen (meine damit kein monetäres Vorgehen, das sicherlich auch, aber das spielt hier keine Rolle). Das Lied hätte seine Grösse und Bedeutung nicht, wäre es so bekannt wie die dritte Single von, sagen wir, „Les Fleur de Lys“.
Und das ist so in etwa mein Problem, seit es keine grossen Singles von Oasis, Blur, Supergrass, Gene etc. mehr gibt. Unabhängig von den musikalischen Qualitäten bsw. der The Duke Spirit (das ist für mich einfach nur PJ Harvey Rock, der sich heute Rock n Roll nennen will, aber das ist sicherlich wiederlegbar), worin liegt der Reiz eine solche Band im Single-Format zu empfangen. Ästhetisch macht die Band an sich alles richtig, was der vernünftige Singles-Connaisseur verlangt, also Non-Album Track, Non-Album B-Side etc., aber wo genau liegt hier das Moment, eben dieses Lied als Single herauszubringen? Es gibt eine Hörgruppe, die diese Single kaufen wird, die solche Musik hört. Diese kauft vermutlich auch das Album, innerhalb dieser Gruppe bleibt diese Musik. Verändert sich dann die Wirksamkeit eines Liedes dieser Band weil es als Single fokusiert wird? Oder anhand eines Beispieles aus dem launigen „Spiele und Quiz-Forum“: Ist „Do the Strand“ von Rox Music schon deshalb eine bessere Single als „Pyjamarama“, weil es erstmal das bessere Lied ist? Ich kann es nicht als Single wahrnehmen.
In letzter Zeit hatte ich einige Gespräche auf Treffen und in PNs mit einigen geschätzten Membern, ich kann es nur hier wiederholen: Eine Single von Kylie Minogue hat für mich einen grösseren Stellenwert als Single, als die der oben genannten: In einer Massenwahrnehmung wurde ein Level erspielt, das musikalisch für dieses Format gewagt ist, geschmacklich sich auf einer mittlerweile hohen Stufe befindet, und darin keine Eingeständnisse macht. Natürlich ist Kylie musikalisch nicht passioniert und ambitioniert (das wären die Duke Spirits schon) , ihre Intention ist eine falsche. Aber das interessiert nun mal beim Hören nicht. John Leyton war kein begnadeter Musiker, Paul Weller war eigentlich nicht Arbeiterklasse. Was zählt ist das Endprodukt, dieses eine Lied, das ensteht, unter welchen Voraussetzungen auch immer. Und das ist eine sehr gute Single in Großbuchstaben. Es soll ja nicht nur die Single als Format überleben, sondern auch das was es transportieren muss.
Erklärt es mir, wenn ich mich irre. Sollten die Duke Spirit in UK ein respektierter, ja heißbegehrter Act sein, dann bitte für dieses Beispiel etwas anderes einsetzen. Es geht um das Prinzip.
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A Kiss in the Dreamhouse