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linnJetzt wirds satisfaktionsfähig! Wer Adam, Gott hab ihn selig, mit Jeff Lynne, „einem vor Wichtigkeit dampfenden, stinkenden Wurm, einem pusteligen Zwerg, einem penetranten Lemur, einem fisteligen Gnom, einem erdigen Wicht, der nicht mal das hohe C gebacken bekommt, wenn man ihm tausend Markierungspflaster zwischen die Bünde klebte“ (Schäfer/Rudolf, Lexikon der Rockgitarristen, Imprint Verlag; gutes Buch übrigens) vergleicht, der aber soll frisch geteert und gefedert durch das Weichbild unserer Städte getrieben werden!
Ich kenne mich mit den Beastie Boys (angeblich haben die ja sogar mal ein ELO-Sample benutzt, könnte aber auch eine Fehlinformation sein) zu wenig aus, um hier sinnvoll auf den von Trickbeat gezogenen Vergleich einzugehen. Wer allerdings seine Argumentation bezüglich Jeff Lynnes Fähigkeiten als Sänger oder Musiker/Gitarrist auf Zitate aus dem Lexikon der Rockgitarristen stützt, hat sich auch nicht gerade intensiv mit Jeff Lynne beschäftigt und sollte besser vorsichtiger sein und erst mal die Quellen heranziehen, die wirklich aussagekräftig sind bezüglich des Multitalents Jeff Lynne.
Oder erst mal zuhören:
http://www.youtube.com/watch?v=ruXFlcdnKjg
http://www.youtube.com/watch?v=yDO2D7JECJc
http://www.youtube.com/watch?v=U1oqBJY3SVs
http://www.youtube.com/watch?v=psj8Vi5e6Ss&feature=related
weitere Beispiele für ELOs und Jeffs Livefähigkeiten über den Link ELO IN Rock live auf der Überblicksseite.
Und Jeffs erste Band IDLE RACE nicht vergessen! Einhellige Meinung: Jeff Lynne hätte das Zeug zum Gitarrenvirtuosen gehabt!
http://www.youtube.com/watch?v=bP2x6Hoc1nc
Ein kleiner Auszug aus dem Buch über Jeff Lynne, an dem ich zur Zeit bastele:
Ein zweiter wichtiger Grund für die Anziehungskraft der Liveband Idle Race ist in dem gesunden Bandgefüge zu suchen, welches ein wirkungsvolles Zusammenspiel ermöglichte. Roger Spencer (obwohl Linkshänder, spielte er auf einem normalen Drumkit) war ein bodenständiger Schlagzeuger mit ausgeprägtem Taktgefühl, der keinen Wert auf Solos legte, dafür aber zusammen mit dem zweiten Gitarristen Dave Pritchard, der auch kein Virtuose war, eine funktionierende Rhythmusgruppe bildete. Dave hatte dicke Saiten auf seiner Gitarre und orientierte sich, von Country- und Bluesrock beeinflusst, ein wenig am amerikanischen Musiker Leadbelly. [vgl. Brum 258] Mit solch starken Teamspielern im Rücken wurde es Greg Masters und Jeff Lynne möglich, für einige musikalische Glanzlichter zu sorgen. Jeff Lynne zeigte sich live als äußerst filigraner Bluesgitarrist. Während er sich bei den Alben zurückhielt, bewies er auf der Bühne sein großes Können, obwohl er nicht selten zu seinem Glück gezwungen werden musste, wie Dave Pritchard erläuterte: „Es war soviel Aufwand, und ich versuchte bisweilen ihn zu überreden […] Da war jemand, der ein richtig großartiger Gitarrenspieler war und es nicht sein wollte, und ich wollte es so gerne sein. Er hat mir dann aber immer zugestimmt. Es gibt nichts Schlimmeres als jemand, der es kann und es nicht machen will, und jemand, der wirklich will, aber …“. [Gill. Idle Race 2.]
Hinzu kam, dass der junge Frontmann nicht nur ein sehr guter Gitarrist war, sondern auch über einen äußerst innovativen Stil verfügte. Keiner spielte die Gitarre damals so wie Jeff Lynne. Von seinem Vorgänger Johnny Mann bzw. seinem Birminghamer Idol Big Al Johnson hatte er sich, beeinflusst vielleicht auch von George Harrisons Spielweise auf einigen Songs der Beatles [vgl. Radio Doku 2010 Here There And Everywhere], eine besondere Technik angeeignet und dann weiterentwickelt, die zu einem ungewöhnlichen Sound führte, der sich wie eine Violine anhörte. Er hatte eine Fender Telecaster, bei der die Kontrollknöpfe so angebracht waren, dass er seinen kleinen Finger um den Lautstärkeknopf legen konnte. Die Saiten waren dabei ziemlich locker. [vgl. Gill. Idle Race 2.] Dieser Violinengitarrensound wurde erstmals auf der Nightriders-B-Seite YOUR FRIEND präsentiert, trat aber auf den späteren Platten eher in den Hintergrund, während er live eben zum Markenzeichen wurde. Es hörte sich so unglaublich und überirdisch an, dass so manch hoffnungsvoller Gitarrist zu den Konzerten kam, um Jeffs Gitarrenspiel zu studieren. Einer davon war der spätere Gitarrenmagier von Queen, Brian May. [vgl. Jim Irvin. “The Bullring Variations.” Mojo 93, August 2001.]
Schließlich waren es auch die verrückten Klangexperimente der Band, die sie zu einer Attraktion machten. Bezüglich Jeffs Gitarrensound kam zur Qualität des Gitarrenspiels zusätzlich noch die besondere Art des Backup-Sounds, wie Greg Masters erläuterte: „Wir hängten ein Mikrofon über Jeffs Verstärker, und wir schlossen eine Fuzzbox an ihn über die PA, so dass es nicht dröhnte, wenn die Solos kamen, sondern sich fein anhörte. […] Wir hatten diese Kombination von seinem Vox-Amp und diesen Watkins-Boxen, und es war ein verrückter Sound.“ [Gill. Idle Race 2.] Die Gruppe war ferner bekannt für ihre eindrucksvollen Phasing-Effekte. Greg Masters war neben Jeff Lynne derjenige, der immer am Experimentieren war, insbesondere im Hinblick auf die Liveauftritte. Manchmal setzte er für Basssolos einen Hoffmann-Geigenbass ein, den er mit einem Bogen spielte (lange bevor Led Zeppelin mit solchen Spielchen anfingen), womit er eine erstaunliche Wirkung erzielen konnte. Außerdem bastelte er ständig an seinem Instrumentarium herum: „Ich hatte eine birnenförmige Gibson – in einer Nacht konnte ich nicht schlafen, und ich lieh mir eine Säge. […] Die anderen wachten um fünf Uhr morgens auf und hörten diesen Sägenton, als ich die Hörner aus meinem Bass heraussägte. Schwarz war er, mit zwei Abnehmern darauf. Ungewöhnlich! […] Ich tat einen billigen Drei-Pfund-Abnehmer darauf, der separat gewickelt war, und ich hatte zwei separate Amps, einen mit den Höhen und einen mit den Bässen, und ich benutzte ein Plektrum mit einem Stück Darmsaite, um es zu halten, so dass man den Schalter berühren konnte und diesen hinteren Abnehmer anbringen konnte, der wirklich schnarrend klang. John Entwistle (The Who) hatte damals gerade angefangen mit dem ‚Schnarren‘ ”. Er und ich waren die ersten, die Rotosound-Saiten bekamen, weil ich wusste, welchen Sound ich wollte, und bekam diesen Schnarrsound darunter. Wenn man den billigen Abnehmer aufdrehte und ihn auf einen separaten Kanal auf dem Verstärker legte, und wenn man ein Plektrum nahm, das an einem Stück Darmsaite hing – dann dachte jeder, es sei ein elektrisches Plektrum! Du nahmst es, und hörtest plötzlich dieses ‚Schnarren’, und ich spielte Akkorde darauf, bevor irgendjemand anderes es tat.“ [Gill. Idle Race 2.]
Mit Fug und Recht lässt sich somit behaupten, dass der Sound der Idle Race sowohl im Studio als auch live etwas Besonderes darstellte. Doch eigentlich müsste man eher von den Sounds der Idle Race sprechen, zumal die Gruppe auf der Bühne ein völlig anderes Gesicht zeigte als auf Platte, wie Roger Spencer rückblickend deutlich machte: „Was viele Leute nicht realisierten […] ist, dass es (im Grunde) zwei verschiedene Bands namens Idle Race gab. Bei der einen Band Idle Race ging es uns darum, Jeffs skurrile und melodische Songs vorzuführen, während die anderen Idle Race total abrockten.“ [Brum 258]
Dass sich die Birminghamer Formation live viel stärker als harte Gitarrenrockgruppe als auf Platte präsentierte, war in Anbetracht des damaligen Standards der Livetechnologie, der eine wirklich befriedigende Umsetzung des Studiofestmahls ohnehin noch nicht ermöglicht hätte (die Beatles beispielsweise hörten mit dem Touren auf, sobald sie sich mit „Revolver“ in die Welt der Studiotricks begeben hatten), sicherlich nicht die schlechteste Lösung. In jedem Falle stellte die Band unter Beweis, dass sie auf mehr als einer Hochzeit tanzen konnte und sowohl live als auch im Studio überzeugende Ergebnisse abliefern konnte. Wobei sie, um im Bild zu bleiben, genaugenommen weniger die Art von Band waren, die die Massen zum Tanzen brachte oder durch besondere visuelle Effekte von sich reden machte. Vielmehr konzentrierten sie sich auf die möglichst spektakuläre Darbietung ihrer Musik. Wen mag es da verwundern, dass man sich auch live enormen Respekt und die Hochachtung von Musikerkollegen verschaffte, die nicht selten nach den Shows nach vorne an die Bühne kamen, um nachzufragen, wie denn dieser oder jener seltsame Klang erzeugt worden war. Das war sicher genügend Motivation für die Idle Race, ihre Suche nach verrückten Klängen fortzusetzen …
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