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Electric Light Orchestra (ELO) – Electric Light Orchestra II (ELO II) (1973)
Das zweite Album von ELO gilt als Übergangswerk, dessen Bedeutung vor allen Dingen darin gesehen wird, dass es mit „ROLL OVER BEETHOVEN“ einen Hit enthielt, der mehr oder weniger ELOs Durchbruch einleitete. Dabei wird übersehen, dass das Album weitaus mehr zu bieten hat. Es ist sicher nicht das ELO, das man von OUT OF THE BLUE kennt. Dennoch sind schon viele Elemente enthalten, die später, bei den richtig bekannten Sachen, wichtige Bestandteile des ELO- Soundes ausmachten.
QUELLEN: vgl. meine anderen Beiträge; dazu insbesondere die Seite www.ftmusic.com/elo2/index.html und die Ausgaben 24, 28 und 30 des deutschen ELO-Fanzines „Face The Music Germany“.
1. Allgemeine Albuminformationen
– VÖ: Februar 1973 (US) United Artists; März 1973 (UK) Harvest
– Recorded at: Philips Studios London; AIR London
– Producer: Jeff Lynne
– Recording Engineers: John Middleton und Denny Bridges
– alle Stücke geschrieben von Jeff Lynne außer ROB (Chuck Berry)
2. Cover
Das Cover-Design stammt von Hipgnosis (vgl. Floyd), was nicht so überraschend ist, da ELO zu dieser Zeit bei Harvest waren. Während das US-Cover einfach eine Raumschiffglühbirne über einem Planeten zeigt, hat es das UK-Cover in sich und zeigt den für Lynne typischen Humor. Das Cover-Konzept geht auf eine Idee von Lynne und Tandy zurück. Auf den ersten Blick sieht man lediglich ein Raumschiff in Form einer Glühbirne sowie Planeten, Weltraumnebel und Gaswolken. Klappt man die Hülle auf und betrachtet Front/Backcover zusammen, so fällt einem schließlich auf, dass die Planeten eigentlich die Schenkel der Beine einer Frau sind, und das das ganze ein sogenannter „Pussy Shot“ ist. Nun ja, aufgefallen ist das eigentlich niemandem. Erst, nachdem es Jeff im Zusammenhang mit der First-Light Serie enthüllt hat, kam die nackte Wahrheit ans Tageslicht. :lol:
3. Musiker und Mitwirkende
– Jeff Lynne: Vocals, Guitars, Moog und Harmonium
– Bev Bevan: Drums and Percussion
– R. Tandy: Moog, Piano, Guitar, Harmonium, Vocal Harmonies
– M. de Albuquerque: Bass and Vocal Harmonies
– Wilf Gibson: Violin
– Mike Edwards – Cello
– Colin Walker – Cello
– (Bill Hunt) – spielt auf den Boogies mit
– (Roy Wood) – Bass Guitar und Cello (auf den Boogies)
4. Zielsetzung
Bei den Aufnahmen zum ersten Album hatte sich gezeigt, dass Jeff Lynne und Roy Wood eine unterschiedliche Vorstellung davon hatten, welche Art von Musik mit dem Projekt ELO realisiert werden sollte. Nachdem nun Roy Wood die Gruppe verlassen hatte, konnte Jeff Lynne endlich darangehen, ohne Rücksichtnahme auf seinen ebenso einfallsreichen Songwriter-Kollegen seine im Überfluss vorhandenen Ideen zu realisieren.
Aus den Interviews der damaligen Zeit geht hervor, dass es Jeff damals ziemlich geärgert hat, dass die ganze Aufmerksamkeit Roy Wood zuteil wurde, der von der Presse als der Kopf von ELO hingestellt wurde. Dabei hatte Jeff mehr Material für das erste Album geschrieben als Roy. Selbst Roy gab zu, dass Jeffs Material im allgemeinen geeigneter für das ELO-Projekt war als seine neuen Stücke. Es ist nachvollziehbar, dass es den ehrgeizigen Lynne ziemlich gestört haben muss, dass sein Stück 10538 Overture in der Musikpresse nicht selten gar als Woods Geisteskind verkauft wurde. Deswegen war es Jeff ein Bedürfnis, mit dem neuen Album zu beweisen, zu was er fähig war. „Jetzt kannst du zeigen, was Du drauf hast“, soll Don Arden damals zu Jeff gesagt haben. Und das brauchte man ihm nicht zweimal sagen…
Obwohl Lynne heute bezüglich des zweiten Albums sagt, dass er einfach etwas herumexperimentieren wollte, um neue Ideen zu bekommen, hatte er sich im Vorfeld der Aufnahmen dennoch einige Gedanken darüber gemacht, in welcher Weise er das ELO umkrempeln wollte/musste. Folgende Punkte können festgehalten werden:
1. da Liveauftritte damals für das ELO von zentraler Bedeutung waren, sollten die neuen Songs mit Blickrichtung darauf geschrieben werden, ob sie sich live umsetzen ließen.
2. Der Abgang von Roy Wood führte zwangsläufig zu der Suche nach einem neuen Sound, da man den Multiinstrumentalisten Wood nicht so ohne weiteres ersetzen konnte. Insbesondere betraf dies die Bläsersektionen, die vor allem auf das Konto von Wood gingen. Lynne sah die Lösung im Kauf eines Moog-Synthesizers, der sehr schnell zu seinem neuen Lieblingsspielzeug wurde und ihm ganz neue Möglichkeiten der Sounderkundung zu eröffnen schien.
3. Jeff wollte am ursprünglichen Konzept der Band festhalten, aber zugleich den neugewonnenen Spielraum nutzen, um seine Vorliebe für melodische Strukturen einzubringen. Auf jeden Fall war da der Ehrgeiz, allen zu beweisen, dass er dazu in der Lage war, dieses ehrgeizige Konzept der Verbindung von Elementen der klassischen Musik mit Elementen der Rockmusik umzusetzen. In Interviews betonte er, dass er die Komplexität der Arrangements noch weiter erhöhen wolle und mehr Variationen und Themen einbringen wolle. Die Streicher sollten weiter eine zentrale Rolle im Bandsound einnehmen, indem ihnen beispielsweise mehr Freiraum für Improvisationen zugestanden wurde.
5. Albumentstehung und Aufnahmetechnik
Die Aufnahmen für die zweite LP begannen bereits im Mai 1972, noch mit Roy Wood, in den Philips Studios in London. An den Boogies wurde bereits zu diesem Zeitpunkt gearbeitet. Im Juli 1972, nach Uk und Italien-Tour, erfolgte dann der Ausstieg von Roy Wood. Mit neuem Lynne-Up begann Lynne intensiv für die Live-Premiere des neuen ELO beim Reading Festival im August zu proben. Die Sessions für das zweite Album wurden nun in George Martins AIR London Studios fortgesetzt. Kuiama (Take 1), Number Four (Momma Take 2) und Roll Over Beethoven (Take 1) wurden am 8. September 1972 in Angriff genommen. Weitere Sessions folgten bis in den Oktober hinein. Das Mastertape wurde am 7. Januar 1973 fertiggestellt.
Bezüglich der Aufnahmetechnik lässt sich festhalten, dass sich die Herangehensweise völlig von der des ersten Albums unterschied. Das Album wurde überwiegend live im Studio eingespielt. Es gibt nur wenige Overdubs (Tandy: Live-Overdubbing). Auf dem Album befinden sich fast nur erste und zweite Takes. Alle Songs wurden in einem take abgemischt, es gab keine Edits.
Da drei der fünf Songs bereits live gespielt worden waren, konnten die Aufnahmen zügig vonstatten gehen, was auch erforderlich war. Der übliche, den Aufnahmen vorangehende Prozess sah damals so aus, dass Lynne ein Tape mitbrachte mit einer Songidee, dass man dann gemeinsam durchging, bis jeder es verinnerlicht hatte. Danach wurden schrittweise Arrangements hinzugefügt. Da es sich um sehr komplexe Stücke handelte (z.B. die Boogies), dauerte dieser Aneignungsprozess oft recht lange.
Schließlich sei noch erwähnt, dass viele der ELO2 Sessions unmittelbar darauf in Quadrophonie gemixt wurden. Das Quadrophonische Album wurde nie veröffentlicht. (Erst im Rahmen der First-Light-Serie wurden 2 Songs des damals in Quadrophonie gemixten zweiten Albums zumindest vorgestellt.)
6. Konzeption, Genre und Klangbild
Das zweite ELO-Album war ursprünglich als Konzeptalbum angedacht und sollte „The Lost Planet“ heissen. Betrachtet man die einzelnen Songs des Albums, so zieht sich dieses Leitthema durchaus durch die meisten Songs, indem Umweltverschmutzung, Kriege oder ähnliches thematisiert werden. Die Idee eines Konzeptalbums wurde wohl letztlich durch die Entscheidung, „Roll Over Beethoven“ auf das Album zu packen, gesprengt.
In musikalischer Hinsicht ist das Bemühen zu erkennen, das Album zu mehr als einer Ansammlung von einzelnen Stücken zu machen, was sich in der Anordnung , aber auch im Aufbau der Stücke zeigt.
Im Gegensatz zu späteren Alben war es zu Zeiten von ELO2 noch nicht Lynnes Ziel, jedes einzelne Stück als potentielle Single zu schreiben, die sich aber gleichzeitig in ein größeres Ganzes einfügt. Vielmehr finden sich auf dem Album lediglich fünf sehr lange Stücke mit ausgedehnten Soloteilen und instrumentalen Teilen. Man kann die Tracks als ausgedehnte Suiten umschreiben, wobei die einzelnen Teile nur im Gesamtkontext funktionieren. Das ist ein interessanter Unterschied zur Herangehensweise bei OTTDay oder Eldorado, wo die einzelnen Stücke zwar miteinander in Verbindung stehen, aber auch als Einzelsongs funktionieren.
Welchem Genre läßt sich das Album zuordnen? Zunächst einmal ist darauf hinzuweisen, dass es ELO zu diesem Zeitpunkt noch darum ging, ein eigenes Genre zu definieren. Natürlich war das Album dennoch auch ein Produkt seiner Zeit. Aus heutiger Zeit kann man es, je nach Betrachtungsweise, z. B. als Klassikrock (bezüglich der Elemente/Instrumente und der Integration klassischer Zitate) oder Spacerock (bzgl. des Klangbildes; vgl. bsp.weise „Meddle“ von Pink Floyd) klassifizieren. Ferner läßt sich das Album mit seinen komplexen Arrangements, den Überlängen und ausgedehnten improvisierten Soloteilen in den größeren Zusammenhang des progressiven Rock einordnen. Bands wie YES kommen einem in den Sinn.
Das Klangbild wird geprägt von knarzigen Cellos und Violinen und rockigen Gitarrenparts. Die Streicher spielen eine ebenbürtige Rolle neben Gitarre und Schlagzeug und sind nicht nur schmückendes Beiwerk. Bei einigen Stücken trägt auch der MiniMoog-Synthesizer entscheidend zum Klang bei, allerdings ist es nicht zu vergleichen mit dem keyboardlastigen Klangbild, dass den ELO-Sound etwa ab ANWRecord und dann in noch höherem Maße in den 80er-Jahren prägte.
Im Gegensatz zu vielen anderen ELO-Aufnahmen klingt der Gesang durchweg etwas belegt oder ungeschliffen, was sicherlich eine ganz bewusste Entscheidung war.
Im Vergleich zum Debüt ist die Albumatmosphäre etwas dunkler, was natürlich auch mit der Thematik der meisten Songs zusammenhängt.
7. Die Songs
Eigentlich müsste man eher von Stücken sprechen. Es ist das einzige ELO-Album, bei dem die Stücke keinen wirklichen Songcharakter haben. Wobei aber im Gegensatz zu so manch anderer Gruppe dieser Ära letztlich immer noch Songstrukturen wie Chorus und Strophen erkennbar sind, nur eben ergänzt um Soloteile und Zwischenteile.
– In OLD ENGLAND TOWN
Ein gesellschaftskritischer Song. Jede Strophe berichtet von anderen Dingen, über die die Leute sprechen (Armee, Luftverschmutzung), aus Jeffs Blickwinkel. Musikalisch wird das Stück von einem schweren Cello-Riff geprägt, ergänzt durch das tolle Klavierspiel von Richard Tandy.
– Momma/Mama
erzählt die Geschichte eines einsamen jungen Mädchens. Es ist eine melancholische Ballade, bei der die Streicher sanftere Töne anschlagen und auch der Liedgesang klarer erscheint als bei den anderen Stücken. Es gibt einen langen Geigen/Cello-Zwischenteil. Auf Flasback erschien 2000 eine gekürzte Version.
– Roll Over Beethoven.
Coverversion des Chuck Berry-Klassikers. Das Originelle dabei ist die Kombination mit dem bekannten Intro aus Beethovens Fünfter Symphonie. Eine richtige Live-Nummer mit rockenden Streichern und wildem Boogie-Pianospiel. Das Klavier klingt, als ob ein Verrückter am Werk sei. Viel Hall auf der Gitarre. Die lyrics des Originals ließ sich Jeff während der Aufnahmen mal schnell telefonisch übermitteln. Deswegen stimmen sie wohl nicht ganz exakt überein. Was wahrscheinlich auch wieder ganz bewußt als kleines Späßchen in Kauf genommen wurde.
Den Song gibt es in einer Vielzahl von gekürzten Formaten. Überall außer in Japan/UK erschien die 8.02 Version. In England wurde der Song auf 6.56 gekürzt, die Single war 4.31 lang. Diese wurde nochmals gekürzt für Amerika.
– FROM THE SUN TO THE WORLD
Sehr kompliziert aufgebautes Stück. Boogie. Beginnt mit Pianointro. Danach wechseln sich klassische Passagen (Anklänge an Rossini) mit Rock und Jazz/Swing ab. Im allgemeinen erscheinen die Streicher als führende Elemente. Andererseits übertrifft sich Richard Tandy selbst am Klavier. Tolles Gitarrensolo am Schluss, zu dem sich der Synthie hinzugesellt.
– Kuiama
Melodramatischer, epischer Track und mit ca. 11 Minuten das längste Stück der Platte. Es ist ein Antikriegssong. Es wird die Situation eines Soldaten an einem Kriegsschauplatz geschildert. Er tötet Vater und Mutter eines kleinen Mädchens, welches nun durch die Straßen irrt, wobei der Soldat ihm zu erklären versucht, warum er die Eltern töten musste.
Muskalisch hervorstechend die wohldurchdachten Effekte des Moog (insbesondere das erhebende Finale) und das großartige Violinensolo über Cello-Begleitung. Das Stück erinnert vom Gefühl her an ein Stück von CLOSE TO THE EDGE.
Die Liveversion des Stückes finde ich persönlich noch großartiger, auf jeden Fall eines der am meisten unterschätzten ELO-Stücke. Es gibt ferner eine 9.05 Version auf der Kompilation OLE ELO.
OUTTAKES und Alternative Versionen/Mixe
Es gibt sehr wenige Outtakes und wenige Alternativversionen, bedingt durch die Tatsache, dass das Album weitgehend live im Studio eingespielt wurde.
– Quad-Mixe: 2 Songs davon sind auf der Kompilation „Early Years“ erschienen.
– Baby I Apologise
Ein Song, der als Bonusstük auf diversen Remastered Editions erschienen ist. 1973 aufgenommen, entstand er nicht spezifisch für ELO 2, aber auch nicht für das Folgealbum. Es handelt sich um einen unfertigen Song, allerdings in voller Länge.
– Sessions mit Marc Bolan
Auf der First-Light Edition des Albums als Bonusstücke. Gehören aber eigentlich schon zu den Sessions für OTTDay, weshalb sie bei den jüngsten Remasters auch dort zu finden sind. (Mehr dazu bei OTTD). (Natürlich muss man auch bedenken, dass bald nach ELO 2 ELO HARVEST verließ, aber noch nicht zu dem Zeitpunkt der Sessions mit Bolan)
– In Old England Town Instrumentals
Es gibt zwei Instrumentalversionen. Ein früher Mix, bei dem die Keyboards und Violine lauter erscheinen, erschien vor kurzem auf der Kompilatiion „HARVEST SHOWDOWN“. Die bekanntere Version, die man produzierte, weil man eine Single-B-Seite benötigte, hört sich teilweise so an, als habe man schnell mal die LP aufgelegt und mit einer Heimorgel darübergespielt. Lediglich das Synthieintro ist interessant.
– ROB Take 1
erschien als Bonusstück auf der FIRST LIGHT Edition. Die Besonderheit gegenüber den anderen Versionen sind die Blödeleien von Jeff und Bev.
Beim Fantreffen 2000 wurden ferner vorgestellt:
ROB (vocal Take)
ROB (guitar take)
– Kuiama -Instrumentalversion
Erschien als Hidden Track auf der „Early Years“-kompilation.
– From The Sun To The World Intro
Alternatives Intro mit Piano, Harmonium, Synthie und zusätzlich Violine und Cello.
– ELO2-Intro (The Lost Planet)
wurde später zum Daybreaker Liveintro
Updates:
16.04.09: Ergänzungen zu Outtakes und Alternative Mixes
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