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So, ein alter Beitrag von mir, den ich jetzt auch mal in den ELO/Lynne-Thread stelle, damit alles schön beisammen ist.
Jeff Lynne – Armchair Theatre (1990)
Reprise Records
Producer: Jeff Lynne
Engineering: Richard Dodd (vgl. George Harrison!)
1. Jeff Lynne und Soloplatten (Informationen zu den Songs sind teilweise übernommen aus dem ELO-Fanzine Face The Music Gemany 19 Aug. 1998)
Den Namen Jeff Lynne verbindet man natürlich in erster Linie mit dem ELO. Doch bereits 1973berichtete das Fanzine der „Mellow Society“, dass Jeff Lynne etwa 50 noch nicht aufgenommene Songs hätte, die er gerne für ein Solo-Album benutzen wolle. Tatsächlich kamen bereits vor Armchair Theatre ein paar Sachen unter dem eigenen Namen heraus: in den 70ern waren dies ein Beitrag Jeff’s zu ALL THIS AND WWII und die nicht ganz ernstzunehmende Discosingle Doin‘ That Crazy Thing/Goin‘ down To Rio. In den 80ern ist der Beitrag zum Soundtrack ELECTRIC DREAMS zu nennen. Vielleicht erinnert sich jemand an Video, Sooner Or Later oder Let It Run. Diese Stücke hätten allerdings genausogut als ELO-Stücke erscheinen können, denn vom Stil klangen Video und Co genauso wie ELO-Stücke zu dieser Zeit. Viele sachen mit ELO waren im Prinzip Solosachen. So wahrscheinlich Don’t Bring Me Down (mit Drum Loop, von Jeff in letzter Sekunde im Studio im Alleingang aufgenommen) oder Letter From Spain. Und wahrscheinlich viele andere Stücke. ELO im Studio waren eigentlich immer schon Jeff’s Projekt, und auch XANADU sollte ursprünglich als Soloprojekt von Lynne und Tandy erscheinen. Der Hauptgrund für Jeff, 1990 den Bandnamen fallenzulassen, war wohl, dass er mal etwas völlig anderes versuchen wollte. Eine radikale Abkehr vom Sound beispielsweise des Vorgängers Balance Of Power. Es war sozusagen nicht vereinbar mit dem ELO-Image.
Armchair Theatre ist bis heute das einzige unter dem Eigennamen erschienene Album geblieben. Wobei die Betonung auf BIS HEUTE liegt. Jeff hat zwar an einem zweiten Soloalbum gearbeitet, dieses wurde trotz vielen Gerüchten aber nie veröffentlicht. Ausserdem steuerte er mit dem genialen Wild Times noch einen Song zum Robin Hood-Soundtrack (ja, der mit der Brian Adams- Schnulze) bei. ZOOM (2001), obwohl weitgehend alleine aufgenommen, erschien wieder als ELO, und das nicht nur aus Marketinggründen. Es war sozusagen Jeff’s Versuch, ELO-typische Elemente mit Elementen der Armchair-Theatre-Zeit zu verbinden, also eine Art Synthese.
2. Zielsetzung
Jeff wollte ein Schwarz-Weiss-Album aufnehmen. Er wollte die Songs nach den 60ern klingen lassen, dafür aber nicht nur auf alte Stücke zurückgreifen (der Name Armchair Theatre bezieht sich auf eine alte Fernsehserie aus den 60ern). Im Gegensatz zum ELO zielte er auf einen typischen Gruppen/combosound und wollte eine natürliche Akoustik. Jeff wollte sich ferner als Singer/Songwriter zeigen.
3. Aufnahmetechnik und Produktionsansatz
Das Album wurde nicht in einem richtigen Studio aufgenommen. Es handelt sich um Heimaufnahmen (das mit den Posh Studios auf dem Cover ist wohl ein typischer Jeff Scherz). Der Kontrollraum war im Esszimmer, Klavier wurde im Wohnzimmer aufgenommen, Gesang im Korridor, Gitarren in der Küche, Drums in der Kammer.
Jeff’s neues Interesse waren „room sounds“. Auf dem Album gibt es nach Jeff’s Aussage keinerlei Samples oder Computer (im Gegensatz zu ZOOM zum Beispiel). Es wurde nichts anderes als Mikrofone verwendet bzw. der Klang direkt vom Verstärker abgenommen. Alles sind echte Instrumente. Live gespielte Gitarren, Pianos etc. Daneben setzte er auch auf solche Dinge wie Hupe, Säge und Stühle (kein Witz) als Instrumente.
Die Stimme wurde ganz natürlich aufgenommen. Im Gegensatz zu den meisten ELO-Aufnahmen verzichtete Lynne weitgehend auf solche Dinge wie Slap Echo, Repeat und automatisches Doubletracking. Es ist damit auch das Album, auf dem sich Jeff als richtiger Sänger vorstellt. Und beweist, wie gut er eigentlich singen kann (mittlerweile hat er vielleicht nicht mehr ganz diese Bandbreite).
4. Mitwirkende
Obwohl es ein Soloalbum ist und Jeff eine Vielzahl von Instrumenten spielt, gibt es auf Armchair Theatre so viele Gäste wie auf keinem ELO-Album. Der ELO-Weggefährte Richard Tandy spielt vor allem die schwierigen Klavierpassagen, George Harrison steuert auf einigen Songs Slide Gitarre bei. Del Shannon singt mit. Michael Kamen arrangierte für etwa zwei Songs Streicher. Jim Horn spielt ein paar tolle Saxophonsachen. Mette Mathiesen von der Frauenband Miss B Haven aus Kopenhagen spielt Schlagzeug. Dazu kommen noch Sänger und Percussionisten von Ravi Shankar und viele weitere kleinere Beiträge anderer.
5. Die Songs
– Every Little Thing (es gab auch eine Extended Version) war die erste Single. Noch einer der Songs, die am ehesten an ELO erinnern. Wir haben Keyboardschnörkel von Richard Tandy und eine misstönende Gitarre. Sowie Anspielungen auf Sixties Music: „going to a gogo“.
http://www.youtube.com/watch?v=EeXavM_qWz4&feature=related
– Don’t Let Go ist eine pure Rockabilly Nummer. Ein Cover von Jesse Stone oder so ähnlich. Jeff ist grosser Fan des frühen amerikanischen Rock ’n‘ Roll und von Rockabilly der Marke Stray Cats.
– Lift Me Up war die zweite Single. Tolle Melodie, George Harrison spielt mit; vielschichtige Harmonien, ein bisschen indische Percussion.
http://www.youtube.com/watch?v=Kly8Wu-MlQc
– Nobody Home – weiss nicht, wie ich das bezeichnen soll, hat jedenfalls nicht viel mit ELO-Bombastnummern zu tun. Trockene Nummer mit Gitarrensolo, wohl auch Hammondorgel.
http://www.youtube.com/watch?v=AgYF7VpvuCw&feature=related
– September Song ist wieder ein Cover. Genau, der Klassiker von K. Weill und Co. Auch mal Ian McCullogh (Echo And The Bunnymen) aufgenommen. Jeff’s Gesangsdarbietung ist phänomenal. Das Stück wurde zu einem Shuffle gemacht. Der laufende Bass ist wie bei einem Shufle. Besen auf dem Schlagzeug etc.
http://www.youtube.com/watch?v=syo1nekLNJA
– Now You’re Gone schrieb Jeff für seine Mutter bzw. Roy Orbison und Del Shannon (dem auch das Album gewidmet ist). Ein Runaway Klavierlauf führt in ein rhythmisches Stampfen komplett mit klassischen indischen Stimmen von Ravi Shankars Sängern. Der Song ist sehr akkordreich. Ausserdem gibt es Passagen mit Raga-Gesang.
http://www.youtube.com/watch?v=Pbn7iq8m2uE&feature=related
– Don’t Say Goodbye singt Jeff mit Tremolo-Stimme. Eine tolle Ballade mit Klavier und tollem gesanglichem Finale.
– What Would It Take ist wieder eine schnellere, kraftvollere Nummer mit interesanter Songstruktur.
http://www.youtube.com/watch?v=0TCcSZwXrJs&feature=related
– Stormy Weather ist ein weiterer Versuch Jeffs, einen grossen Klassiker zu interpretieren. Featuring George Harrison.
– Blown Away ist eine weitere Ballade mit interessanten Schlagzeug/Percussioneinsätzen, einer Gitarre der 50er-Jahre und vollendetem Bassgitarrensound.
http://www.youtube.com/watch?v=19LViMvcB5A&feature=related
– Save Me Now ist ein Umwelt Song. Nur Jeff’s Gesang, akustische Gitarre und ein minimaler Synthesiserhintergrund. Meilenweit vom ELO-Bombast entfernt. Die Perspektive des Songs ist interessant: Jeff schrieb ihn wie ein Kinderlied vom Standpunkt der personifizierten Erde aus.
Daneben gab es noch drei B-Seiten-Songs:
– Borderline – eine weitere Nummer mit nahem Gesang und einfacher Instrumentation.
– I’m Gone – grossartige Rockabilly-Nummer
– Sirens – ein Instrumental, dass mehr Jeff’s floydianische Seite zeigt. Dazu gibt es indisches Sirenengeheul Sehr gelungen.
http://www.youtube.com/watch?v=h1b31zSDx0g&feature=related
Outtakes und Bonussstücke bei Reissues
– Save Me Now (Brand New Electric Version 2012) (Sampler „Songs After Sandy. Volume 1“)
– Borderline (New Version 2013) (Reissue „Armchair Theatre“, 2013, Frontiers Records)
– Forecast (Reissue „Armchair Theatre“, 2013, Frontiers Records): der Song stammt wohl aus den Sessions zu „Armchair Theatre“, wurde 1989/1990 geschrieben und wohl auch in Teilen schon aufgenommen, aber für die Reissues von 2013 von Jeff sicherlich nochmals etwas überarbeitet und geremixt. Das Ausmass der Überarbeitung kann man vermutlich ganz gut am Beispiel der beiden Borderline-versionen erkennen.
– das Bonusstück Strange Magic auf der Japan-Edition 2013 hat keinen Bezug zu dem eigentlichen Album und stammt aus dem akustischen „Live At Bungalow Palace“-Set.
– Es gibt eine Reihe unveröffentlichter Songs, u. a. aus Sessions mit Steve Winwood.
So, soweit der Überblick. Ich hoffe, dass ich dem einen oder anderen Appetit gemacht haben. Wie gesagt, das hat nicht viel mit ELO zu tun. Ist viel eher Singer/Songwriter-Pop.
Updates
04.01.2011: Songbeispiele hinzugefügt
28.04.2013: Neue Bonusstücke ergänzt
21.12.2013: Abschnitt Eins leicht umgeschrieben
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