Re: Electric Light Orchestra (ELO) – Jeff Lynne

#2576637  | PERMALINK

pelo_ponnes

Registriert seit: 13.04.2004

Beiträge: 2,797

ELO Alben Reviews PELO – 2

Bevor ich beim nächsten Mal mal wieder ein Sideline-Projekt vorstelle, heute ein Blick auf ein, wie ich meine, faszinierendes ELO-Album, das viele interessante Aspekte besitzt, und bisher eher selten gewürdigt wurde:

Electric Light Orchestra (ELO) – Secret Messages

Quellen: eine wichtige Quelle sind die Interviews, die Lynne bzw. Bevan 1983 gegeben haben. Diese flossen auch teilweise in die Informationen ein, die die Seiten www.ftmusic.com und die o.g. Lynne-Songdatabase zur Verfügung stellen, neben zusätzlichen Hintergründen. Viele Berichte erschienen auch in den Newslettern des deutschen ELO-Fanclubs „Face The Music Germany“ (insbesondere Nummer 50 und 100) und im ELO-Buch „Unexpected Messages“.
Gerade wenn es um die Beschreibung von Instrumenten geht, folge ich den Newsletterberichten, da ich selbst Schwierigkeiten damit habe, KLänge einzelnen Instrumenten zuzuordnen. Wobei das bei ELO ohnehin schwer ist.

1. Albuminformationen

– Aufgenommen 1982/1983 , VÖ: Juni 1983
– Jet Records
– Location: Wisselord Studios, Hilversum, Holland
– Producer: Jeff Lynne
– Engineering: Bill Bottrell (vgl. sein begeisterter Kommentar über die Zusammenarbeit weiter oben in diesem Thread!)

2. Entstehungsgeschichte

Es war ein langer komplizierter Weg, bis das Album schliesslich in dieser Form erschien. Schon während der Europatournee 1982 hielt ELO Ausschau nach einem geeigneten Studio für neue Aufnahmen. Man wollte nach Jahren im Musicland mal was anderes. So testete man die Abba-Studios, ein Studio in Paris und einige weitere wie eben dieses hier in Hilversum. Einige Stücke wie Rock And Roll is King und Train Of Gold wurden somit schon im Februar 1982 begonnen, als ELO in Holland Konzerte gaben. Im August begannen dann die eigentlichen Album-Sessions. Der Arbeitstitel für das Album war „Unexpected Moments“. Es sollte ein Doppelalbum werden, d. h. eine Seite Livealbum Europa-Time Tour und eine Seite Studio. IM Studio (jawoll) schrieb Jeff dann aber so viele Songs, dass man nun an ein richtiges Doppelalbum dachte. Es sollte im Dezember 1982 veröffentlicht werden, doch die Distribution Company stoppte letztlich das Doppelalbum aus Kostengründen , Anfang 1983. So wurde daraus ein Einfachalbum, wobei man ihm anmerkt, dass es als Doppelalbum konzipiert ist. Es wurde übrigens ein Masterband vom Doppelalbum erstellt.

Die für das finale Album verwendeten Sessions gingen von December 1982 bis Februar 1983.

3. Zielsetzung/Stil

Inhaltlich wie musikalisch lag SECRET MESSAGES ein klares Konzept zugrunde. Inhaltlich setzte man sich mit Anschuldigungen aus den 70ern auseinander, nach denen ELO teuflische Botschaften in ihren Songs versteckt hätten. ELO machten wie andere Gruppen tatsächlich häufiger Gebrauch von rückwärts eingespielten Passagen, aber nur wegen des Effektes/als Gag. Alles andere war an den Haaren herbeigezogen. SecMessages war nun ELO’s lustige Auseinandersetzung mit geheimen Botschaften. Der Titelsong führt in das Thema des Albums ein. Auf dem ganzen Album verteilt finden sich lustige kleine Geheimbotschaften unterschiedlicher Art: hauptsächlich geht es um kleine Rückwärtsbotschaften, beschleunigte Passagen oder Morsecodes, oder auch Anspielungen. Aber auch das Coverkonzept ist auf die Thematik abgestimmt. Weiter ist in diesem Zusammenhang eine Betrachtung der Songtexte interessant. Aufschlussreich dazu sind Aussagen von Lynne dazu 1983, dass er mit den Texten auf SM versuche, viel zu sagen, ohne wirklich etwas zu sagen. Eine Herangehensweise, die sich sehr gut in die Grundidee des Albums einfügt. Auf einer dritten Ebene lässt sich sagen, dass bei fast allen Songs auch im eigentlichen Songtext das Grundthema „Geheime Botschaften, Geheimnisse und Rätsel“ in irgendeiner Form verarbeitet wird. Bei „Letter From Spain“ oder „Four Little Diamonds“ zum Beispiel, aber auch bei „Time After Time“ (the visions in the air; from far away there comes a warning sound … ), Bluebird (the signs are pointing all one way but you don’t realise just what they say…), Endless Lies (Endless lies shine in your eyes), Mandalay (birds .. they are the messengers of dreams) usw. Secret Messages war von der GRundidee ein sehr interessantes Konzept. Beim ursprünglichen Album waren auch alle Songs durch INterludes verbunden. Leider wurde das Konzept durch die Reduktion auf ein Einfachalbum etwas geschwächt, da vieles unter den Tisch fiel.
Musikalisch gesehen führt Secret Messages einerseits den elektronischen Ansatz von TIME weiter. Lynne begeisterte sich damals für die neuesten Synthesiser, Fairlights und Drumcomputer. In Interviews 1982 betonte Lynne, dass das neue Album sehr elektronisch klingen sollte. Klingt es auch, dennoch hat Lynne im Laufe des Projektes das Konzept überdacht und sich eher für eine Mixtur aus Elektronik und Gitarrenklängen entschieden (hing auch damit zusammen, dass er mit Dave Edmunds zusammenarbeitete). Im Vergleich zu TIME gibt es viel mehr Gitarren und viele z.T. im Mix versteckte Gitarrensoli.
Es wurden Synthies von Oberheim,Moog, Yamaha, Korg, Wurlitzer, Roland, ARP etc verwendet, Gitarren Gibson, Fender, Ovation und Electric Pianos Fender, Wurlitzer. Dominierend auch der Drumcomputer von Oberheim (DMX).
Was den Stil der Stücke anbelangt, so betonte Lynne in Interviews, dass sie ganz bewusst zwei Stile verwendet hätten. Er meinte damit einerseits eher poppigere Stücke und andererseits etwas raueren Poprock mit recht viel Chuck-Berry Riffs. Im Vergleich mit Time fällt bei den Harmonien auch der weitgehende Verzicht auf Kelly Groucutt auf. Jeff singt häufig mit rauerer Stimme, bzw. noch vielseitiger, und die Stimme klingt natürlicher und mit wenig Hall. Der Einfluss alter Helden wie der Beatles oder Roy Orbison ist auf SMessages wieder etwas grösser als auf TIME. Wobei er auch auf Time präsent war. Und Secret Messages alles andere als ein Retro-Album war. Es klingt hochmodern. Lynne schaffte ja schon immer diesen seltsamen Spagat zwischen altmodischen Elementen und den neuesten Klängen der Zeit.
Die Songstrukturen wollte er bewusst etwas anders aufbauen als beim Vorgängeralbum. So experimentierte er vor allem mit radikalen Tempowechseln innerhalb von Songs.

4. Produktion/Aufnahmetechnik

Zum ersten Mal wollte man die digitale Aufnahmetechnik nutzen, letzten Endes wurden aber doch nur die analogen Bänder verwendet. Lynne komponierte zu dieser Zeit vor allem am Keyboard, manchmal auch Gitarre und hielt Songideen wie üblich auf Kassette fest. Ansonsten dürfte Lynne ähnlich vorgegangen sein wie bei den vorangehenden Alben, sprich:High Tech Studioatmosphäre, zuerst der komplette Backing Track ohne auch nur irgendeinen vocal, am Schluss Gesang und Streicher, insofern die Aufnahme orchestral war (die wenigsten Songs auf Sec Mess).

Was den Sound anbelangt, so zielte Lynne auf einen kristallklaren Studiosound, angereichert mit allen erdenklichen Effekten.

5. Musiker/Mitwirkende

– Jeff Lynne: Vocals, background vocals, Gitarre, Synthesisers, Bass, Piano, Percussion, Oberheim DMX
– Richard Tandy: Synthesizers, Grand Piano, Electric Piano, Mundharmonika, Oberheim DSX

– Kelly und Bev spielen kaum mit, jeweils etwa auf drei Songs
– Gäste: Dave Morgan (Hintergrundgesang); Louis Clark (Streicher auf drei Songs des vö Albums und sechs des Doppelalbums); Mik Kaminski (Geigensolo Rock And Roll Is King); Sandi Lynne (Frauenstimme TIME AFTER TIME?); Holländische Schulkinder. Zusätzliche elektronische Effekte von Bill Bottrell.
ääh…und ein gewisser Dennis LOL

6. Die Songs

Als LP enthielt das Album ursprünglich zehn Stücke (es gibt auch LP-Version mit 11 Stücken): SECRET MESSAGES/LOSER GONE WILD/BLUEBIRD/TAKE ME ON AND ON/(TIME AFTER TIME)/FOUR LITTLE DIAMONDS/STRANGER/DANGER AHEAD/LETTER FROM SPAIN/TRAIN OF GOLD/ROCK AND ROLL IS KING. Auf Kassette und CD kam, zunächst als Bonus-Track gekennzeichnet, TIME AFTER TIME hinzu. Weitere Stücke des Doppelalbums erschienen als Single-B-Seiten bzw. auf dem Boxset Afterglow (1990). Nur ein Stück des geplanten Doppelalbums blieb bisher unveröffentlicht. Beim Doppelalbum waren alle Songs durch Interludes miteinander verbunden.

Ich betrachte jetzt mal die Titelreihenfolge des Doppelalbums.

1. Secret Messages

Textlich wird hier das Albumkonzept eingeführt. Die Version des Doppelalbums war ein leicht anderer Mix. Im Intro die ersten Botschaften: Welcome To The Show vorwärts und rückwärts. Ausserdem wird fleissig gemorst. „ELO“ im wesentlichen, kein grosser Inhalt. Der Song ist mid-tempo, klingt recht futuristisch und zeigt eine gelungene Mischung zwischen Synthies und Gitarren. Symptomatisch das Gitarren/Synthieduell am Anfang.

2. Loser Gone Wild

Einer der Songs, bei dem Jeff mit radikalen Tempowechseln experimentierte. Sehr ungewöhnliche Songstrukturen.

3. Bluebird

Ein wunderschön melodischer Popsong. Jeff singt mit weicher Stimme. Im Hintergrund scheint ein Hund zu bellen, Dennis. In Wahrheit ein Synthie. Was sich wie „Würg“ anhört. Oder „Work“. In gewisser Weise die Secret Message. Schönes Piano und überraschender Schlussteil.

4. Take Me On And On

Soll das Gefühl eines Spaziergangs im Weltall heraufbeschwören. Der Blickpunkt eines Astronauten sozusagen, der sich immer weiter forttragen lässt. Funktioniert aber auch als Sommersong. Träumen am Strand. Ein Highlight.

5. Stranger

Textlich greift Lynne eines seiner Lieblingsthemen auf, denn er fühlte sich in Holland auch wie ein Fremder. Wieder eher ein softer, langsamer Song. Am Songanfang die Rückwärtsbotschaft „You’re playing Me Backwards“. In etwa: Warum spielst Du deine Platten rückwärts ab?

6. No Way Out

Hiermit versuchte sich Jeff an einem 50erJahre Blues/Jazz Song, gepaart allerdings mit modernem Equipment. Tiefe Stimme, Fingergeschnippse und Pfeifen. Auffällig ist die eher sparsame Instrumentierung und der Einsatz eines double bass.

7. Beatles Forever

Der einzige bisher unveröffentlichte Song. Es gibt mehrere Versionen, eine schnellere, orbitale und eine etwas langsamere. Wiederum experimentierte Lynne mit radikalen Tempowechseln. Textlich ist es natürlich ein Tribut (zugleich aber auch ein bisschen Auf den Arm nehmen) an die Beatles, wobei Beatles Songs zitiert und Riffs angespielt werden. Lynne ist der Song heute etwas peinlich. „Kriecherisch“ nannte er das. Auch werden keine Songs von Harrison zitiert, mit dem er ja gut befreundet war. Und ausserdem wäre der Song wahrscheinlich wieder eine Steilvorlage für gewisse Kritiker, die ELO als Beatles-Klone abtun. Lynne hat gesagt, dass er den Song vielleicht überarbeiten wolle.

8. Letter From Spain

Ein sehr ungewöhnlicher, fast meditativer Song. Keine Drums, Percussion aus dem DMX und eine Prise Synthie. Jeff hat das Stück wohl ganz alleine eingespielt.

9. Danger Ahead

Ein rockiger Song, mit viel Gitarreneffekten. Lynne sagt, dass er reichlich Gebrauch machte von den Spezialeffekten der magischen AMS Box. Bei 2.30 gibt es die Rückwärtsbotschaft „Look Out There Is Danger Ahead“.

10. Four Little Diamonds

Viel Chuck Berry, etwas Don’t Bring Me Down, rauer Gesang in den Strophen, TIME-Gesang im Refrain. Ein ELO-PopRocker. Four Little Diamonds? Eine Anspielung an die Beatles wohl.

11. Train Of Gold

Hier hört man neben Drumcomputer auch mal Pauke und Schlagzeug. Dazu Mundharmonika und Streicher. Ein Miauen einer Katze ist aus dem Synthie. Recht temporeicher Song.

12. Endless Lies #83
Unterscheidet sich von der 86er-Version. Mehr Sixties-Anleihen, Hoppelbassgitarre und Dave Morgan, der ganz im Takt HEY, Hey ruft. der Vorchorus ist anders aufgemacht, und der Song insgesamt länger. Er ist als Tribute an Roy Orbison (vgl. Text: Bye Bye Pretty Woman)gedacht. Jeff versuchte, ihn „big“ zu singen, wie Roy. Absolut geniale Version mit vielen überraschenden Wendungen.

13. Buildings Have Eyes

Entspannter kleiner Popsong mit einigen Gags.

14. Rock And Roll Is King

Ursprünglich hiess das Stück „Motor Factory“, ging über eine Autofabrik und hatte jede Menge Fabrikgeräusche. Ein Teil dieses backings ist noch zu hören. Ein Song in der Art wie HOLD ON TIGHT von Time. Im Outro eine weitere Secret Message. „Thank You For Listening“ /intro backwards.

15. Mandalay

Ein weiterer grandioser Song. Mystische Grundstimmung. Melancholie, schleppendes Tempo, dazu dieser „Wall Of Sound“ und der interessante Gesangsstil.

16. Time After Time

Textlich ein Anti-Kriegssong. Sehr elektronisch und überladen mit Tricks und Effekten. Und zahlreiche Botschaften: Anfangs „Listen To The Music“ (also: Hör‘ Dir die Musik an, statt nach Botschaften zu suchen LOL)vorwärts/rückwärts, bei 1.49 „One,Two,Three, Four“ rückwärts. Bei 2.15 eine beschleunigte Passage, wo jemand „Time After Time“ singt (wenn man es langsam abspielt), am Schluss „Time After TIME“ dreimal rückwärts. ETC.

17. After All

War auf dem Doppelalbum nur als Kurzversion. Ein tolles Instrumental: Gitarre, eingebettet in eine Klangwolke aus Synthies und Piano. Jeff meinte dazu, dass er auf diesem Song jeden nur erdenklichen gimmick, der der Menschheit damals bekannt war, einsetzte.

18. Hello My Old Friend

Das grosse Finale. Ein achtminütiger Song, der sich textlich mit Birmingham und Jeffs Jugendzeit auseinandersetzt. Jeff zieht alle Register, inklusive eines Kinderchores, der Frere Chaque singt, Samples aus alten ELO-Liedern. Stilistisch knüpft der Song wirklich da an, wo I AM THE WALRUS aufgehört hatte. Ein spät eingelöstes Versprechen LOL. Auch hier dürften einige Botschaften im Mix (It’s Gonna be fun!) versteckt sein. Wie es übrigens noch ohnehin so einiges an Botschaften geben muss. Eine, die die Band ansprach lautete „Pflanze einen Apfelbaum und geniesse ein schönes neues Jahr“. Offensichtlicher sind da schon die Botschaften auf dem Cover beziehungsweise der Coverrückseite. Zum Beispiel das Porträt vorne oder der Buchstabensalat, den man eigentlich gut auflösen kann.

Zu den geheimen Botschaften folgender Link, der einige, aber nicht alle Botschaften, darlegt:
http://www.youtube.com/watch?v=9-3PS5sdv3c

Outtakes?

Es dürfte so einiges an unbenutztem Material geben. Insbesondere alternative Mixe. Ein paar Anmerkungen:

– die Probesessions für das Album wurden auch aufgenommen („Garden Rehearsals“)
– es gibt ein ultrarares 6 Seiten Acetate, wovon 4 Seiten das Doppelalbum abdecken, während auf den anderen beiden Seiten alternative Mixe etc zu finden sind.
– BOUNCER erschien als B-Seite von Singles der SecMess-Zeit, stammt aber aus den TIME-Sessions. Es ist nicht ganz klar, ob der Song 1981 derselbe Mix war, oder ob man ihn an den Secret Messages-Sound angepasst hat.

Updates:
28.09.08: Konzept; Secret Messages-Link

--