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ELO – ALBEN REVIEWS PELO – 1
Angeregt durch das Alben-Review Archiv werde ich in loser Folge neben Sidelineprojekten auch die eigentlichen ELO-Alben etwas vorstellen. Ich beginne mit meinem liebsten Album aller Zeiten.
Electric Light Orchestra (ELO) – TIME (1981 Jet)
1. Albuminformationen
– Recorded at: Musicland Studios – München (wobei teilweise auch in anderen Studios in LA bzw. auch Stockholm-ABBA Studios aufgenommen wurde)
– Produzent: Jeff Lynne
– Engineered by: (Reinhold) Mack
– Mitwirkende: ELO bestand im Studio damals offiziell aus Jeff Lynne, Richard Tandy, Bev Bevan, Kelly Groucutt, wobei die Rolle der letzteren zwei bei den Aufnahmen schon reduziert war. Die Streicher wurden von Lynne, Tandy und Rainer Pietsch (und nicht wie sonst meist Louis Clark) arrangiert. Den französichen Teil in Hold On Tight übersetzte Jeffs französisches KIndermädchen. Bei den Nachrichtenschnippseln auf Here Is The News sprach Jeff Lynne das Meiste selbst, sie holten sich aber auch einen AFM-Nachrichtensprecher ins Studio.
2. Albumkonzept/Zielsetzung
TIME wurde 1981 veröffentlicht. Das war die Zeit der New Romantics. Eine Vielzahl von Gruppen veröffentlichte futuristische Songs oder Alben. Das war der Zeitgeist: kalte, frostige Songs mit viel Synthesizersounds.
Jeff Lynne, der großer Science Fiction Fan ist und auch auf früheren Alben hin-und wieder auch textlich mit Space Age/Futurismus kokettiert hatte (insbesondere der Song Mission auf ANWR) kam dies gerade recht, und er wollte diesen Zeitgeist auf seine Weise für sich und das ELO nutzen.
„Time“ ist ein Konzeptalbum. Es ist zu verstehen als Zeitreise in das ausgehende 21. Jahrhundert, eine Ära, die nach dieser Vision von Hochtechnologie einerseits und fehlender menschlicher Wärme andererseits gekennzeichnet ist. Roboter treten in Konkurrenz zu Menschen, man reist wie selbstverständlich durch das Weltall zum Mond oder sendet Briefe durch die Zeit zurück usw. [Und das zweite Soloalbum von Jeff Lynne, das erste nach Armchair Theatre, steht nun endlich unmittelbar vor der VÖ und soll bald („soon“) erscheinen ]
Eine Handlung ist lose vorgegeben, aber es bleibt genug Raum zur eigenen Interpretation. Es gibt einen Charakter, der in die Zukunft versetzt wird. Dieser Charakter tritt aber im Laufe des Albums zugunsten von Impressionen teilweise in den Hintergrund. Es ist also keine festgelegte Geschichte, es wird nur eine Art Rahmenhandlung vorgegeben, wobei die „Moral“ der Geschichte in gewisser Weise der Song „Hold On Tight“ ist. Viele haben behauptet, der Song wäre einfach so dazugeholt worden und würde nicht aufs Album passen. Das stimmt aber nicht. Der Song wurde für TIME geschrieben und hatte am Anfang auch ein anderes Intro mit Uhren (im Stil von Pink Floyd), wie auf FLASHBACK zu hören.
3. Produktionsansatz/Sound
Ziel war ein futuristischer, kalter Sound. Synthesizer dominieren. Das Booklet nennt Synthesizer (von) Yamaha, Oberheim, Wurlitzer, unter anderem. Der OB Xa ist der dominierende Synthesizer auf dem Album. Auch wurde das Album förmlich mit Hall übergossen, was sehr gut zum Thema des Albums passt. Es gibt zwar noch natürliche Instrumente, doch treten sie stark in den Hintergrund. Selbst Passagen, die wie Gitarren klingen, zum Beispiel bei Another Heart Breaks, sind von Synthies gespielt. Obwohl ELO also einen Sound anstrebten, wie er für viele der neuen Synthbands typisch war, ahmten sie nicht einfach diesen Sound nach (abgesehen davon, dass ELO ja mit ANWR ja in gewisser Weise auch Vorreiter von Synthpop waren), sondern vermischten dies alles mit bekannten ELO-typischen Elementen. So ist die typische Vielschichtigkeit der Aufnahmen weiterhin vorhanden, ebenso die typischen Gesangsharmonien. Twilight hat wagnerianische Dimensionen. Auf etwa der Hälfte der Songs gibt es Streicher, die allerdings deutlich in den Hintergrund gemischt wurden.
ELO’s Aufnahmen waren ohnehin oft von einer HighTech Atmosphäre geprägt. Dies trifft allerdings auf TIME im Besonderen zu. Man hat wirklich den Eindruck, Musik aus der Zukunft zu hören und wird in eine andere Welt oder Dimension hineingezogen.
4. Songs
– Prologue
Eine Vocoderstimme stimmt auf das Albumthema ein. Der Prologue geht dann über in das wunderbare
– Twilight
textlich ist es ein Song über das Zeitreisen in die Zukunft. Synthesiser dominieren in einem Hochgeschwindigkeitsstück mit tollem Schlagzeugbreak, welches am Ende mit den im Hintergrund zu hörenden Streichern tatsächlich in eine andere Dimension entschwebt. Auch die Akkorde sind wohl „strange“. Mit diesem Stück wird man tatsächlich in eine ganz andere Welt hineingezogen, die der Schauplatz der folgenden Stücke ist.
– Yours Truly 2095: der Charakter schreibt einen Brief zurück durch die Zeit in das Jahr 1981 und berichtet seiner Freundin dort von einer Welt mit Maschinen und Robotern. Wieder ein temporeiches Stück, sehr elektronisch. Das Intro stammt von einer pinball machine.
– Ticket To The Moon: das Tempo verlangsamt sich für diese Drama im Weltraum (so Lynne). Auch textlich meisterlich. Und die im Hintergrund zu hörenden Spezialeffekte sind atemberaubend.
– The Way Life’s Meant To Be wurde in den ABBA-Studios aufgenommen. Man wollte mit der Aufnahme einerseits ein Sixties-Feeling a la Phil Spector erzeugen – auch Latino-Einflüsse wie Kastagnetten, zugleich aber futuristisch klingen. Dieser Spagat ist gelungen.
– Another Heart Breaks ist ein ambientes, unglaublich melancholisch-verlorenes Instrumental, das von einem Oberheim Synth dominiert wird, der wie eine Shadows-Gitarre klingt. Ganz groß.
– Rain Is Falling ist ein langsameres, melodieverliebtes Stück im typischen Synth-Gewand und mit verstecktem Vocodergesang („Rain Is Falling“).
– From The End Of The World entführt den Hörer erneut an ungewohnte Orte. Das mag an den Akkorden liegen, was Jeff Lynne betont. Ein sehr schnelles Stück, von High Energy (4/4) beeinflusst. Textlich sendet der Charakter TRäume durch die Zeit zurück ins Jahr 1981.
– The Lights Go Down ist wieder ein langsameres Stück mit Reggae-Anleihen, denke ich.
– Here Is The News beinhaltet eine Newsshow der Zukunft. Das Intro mit dem Synthiespinett ist vom Feinsten. Die Nachrichtenfetzen wurden alle im Studio SELBST kreiert. Bsp:Spaceworkers dispute in London today. A lightning strike by air shuttle officers led to over 2,000 passengers being held up for up to 10 hours to board flights… Ten Eurotechnicians were today sentenced by the justice computer to be banished for life to the prison satellite Penal One One One…“.
Tolles Stück, wieder mit leicht varrierter Gesangstimme. Typisch für dieses Album sind ohnehin „processed vocals“.
– 21st Century Man ist eine unglaublich tolle Ballade mit interessanter Songstruktur. Natürlich im typischen „frozen Sound“ dieses Albums.
– Hold On Tight: Idee war, etwas positive Stimmung in das Album hereinzubringen, das ansonsten ja sehr melancholisch ist (Sehnsucht nach einer besseren Vergangenheit: „Remember the Good Old Nineteen Eighties!). Lynne zeigt hier wieder seine Liebe zu Rock ’n‘ Roll und Rockabilly, aber in ein futuristisches Gesamtkonzept eingebettet. Das heisst, der klassische Sound der Vergangenheit bricht hier zwar in die Zukunft herein, ist aber noch umnebelt von futuristischen Klangwolken. Während andere Anfang der 80er einfach Retro-Rock ’n‘ Roll machten, entwickelt hier Jeff praktisch ein neues Konzept des futuristischen Rock ’n‘ Roll.
– Epilogue beschliesst mit einem beeindruckenden Finale das eigentliche Album.
Auf dem Remastered CD-Album befinden sich noch einige weitere Songs aus den TIME Sessions:
– The Bouncer wurde wohl von Hold On Tight ersetzt und erschien später als B-Seite einer Single. Der Hintergrundgesang ist von Monty Pythons „Mounties Choir“ inspiriert, so Jeff.
– When Time Stood Still: Fantastisches Stück, dass diese Welt der Zukunft perfekt einfängt.
– Julie Don’t Live Here ist ein Hochgeschwindigkeitspopper über ein Mädchen, dass jetzt in einer anderen Dimension ist. Auch ganz stark.
Es gibt ferner wohl noch einige weitere TIME Outtakes, denn auch Time ware wohl als Doppelalbum angedacht.
Updates:
07.02.2011: Mitwirkende präzisiert.
26.02.2012: Kleinere Details ergänzt
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