Re: Electric Light Orchestra (ELO) – Jeff Lynne

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pelo_ponnes

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A Defense of ELO

Folgendes stammt aus einer Diskussion im Frühjahr. Ich möchte nochmal darauf hinweisen, dass das als Defense zu betrachten ist und der Anlass einerseits einige abfällige Bemerkungen zu ELO waren bzw. auch die Tatsache, dass selbst die, die ELO hier mögen, sich nicht richtig trauten, dies kundzutun. Also habe ich damals zum Befreiungsschlag ausgeholt. Der Text beschreibt immer noch gut, was ich an ELO so toll finde. Und ich stehe nachwievor zu meinen Aussagen, die allerdings ganz bewusst meine persönliche subjektive Sicht darstellen. Dies gilt auch bzgl meiner Aussagen zu anderen Bands, die ich niemanden madig machen will. Die Stones mag ich halt nicht so sehr. Dann gibt es da noch eine Aussage zu den Beatles, die falsch verstanden wurde. Im Prinzip habe ich nichts gegen die Beatles (nur gegen diese Glorifizierung), mag sogar vieles. Wenn ich schreibe „die Beatles bringen’s nicht“, so versuchte ich dort zu sagen, das die Beatles-Musik es nicht vermag, bei mir diese besondere Atmosphäre/Gefühl heraufzubeschwören, die ich bei den ELO-Songs empfinde, also ist es nicht derselbe Sound.
Das habe ich alles auch im alten Thread geschrieben, offenbar hat’s aber damals nicht jeder so aufgefasst. Ich greife auch niemanden persönlich an, sondern schreibe immer „zum Teil“ etc.

H)el(l)o again!

ELO/Jeff Lynne, da gibt es meist folgende Reaktionen:

1. Who? Jeff Who?
Also, ELO sind ein Projekt aus Birmingham. Initiiert 1970 von Jeff Lynne (zuvor Idle Race, Move, später Traveling Wilburys und erfolgreicher Produzent) und Roy Wood (Move, später Wizzard), war die ursprüngliche Intention eine Melange aus klassischen Elementen und Rock. Nach dem ersten Album stieg Wood aus, und die Gruppe entwickelte sich unter Lynne schnell in eine andere Richtung hin. Obwohl der Sound immer im Wandel war, lässt sich ELO’s Musik charakterisieren als einzigartige Mischung von Streichern, Elektronika, traditionellen Rockinstrumenten, vielschichtigem Sound und cleveren Studiotricks.
(Übrigens: wer sich jetzt fragt, wer ELO sind: denkt an Boogie Nights und diesen sehr vorteilhaft (?) in Szene gesetzten Song: Livin‘ Thing. Das ist ELO.)

2. Ach ELO! Deren Songs sind doch fürchterlich (Hakt man dann nach, stellt sich alerdings recht häufig heraus, dass derjenige gar nicht wirklich vertraut ist mit ELOs Musik und einfach nur so daherredet)

Also, wie denkt Ihr darüber? Ich denke, ELO sind die am meisten unterschätzte ROCK/POP „Band“ (eigentlich ist es ja Jeff Lynne’s Projekt und keine wirkliche Band) und die am meisten missverstandene Band aller ROCK/POP Zeiten.

Wie man an meinem Namen schon sieht, bin ich ein grosser ELO-Fan. Ich kenne eine Vielzahl von Alben (Stones, Beatles, Bowie und all die angesagten alten wie neuen Bands sind mir kein Fremdwort), aber eins kann ich Euch sagen: Die grösste POP/ROCK Band aller Zeiten für mich ist und bleibt ELO. Und ich finde sie MEGACOOL. Jawoll. Ich bin kein Angsthase wie so manch einer von Euch, der heimlich seine ELO-Platten hört und sich nicht traut zuzugeben, wie gut er sie findet, weil die ja ach so uncool sind. So, sind sie das? Da sage ich mal: jede Band kann man als lachhaft runterschreiben, wenn man es will. Und: wer sich mit Jeff Lynne beschäftigt, der weiss, was das für ein Produktionsgenie ist.

Einige Gründe, warum ELO allgemein von den Kritikern verarscht werden und ein paar Kommentare dazu:

– ELO seien ein Beatles-Ripoff, null inspiriert. So ein Blödsinn. Die Beatles waren ein wichtiger Einfluss unter zahlreichen anderen: Roy Orbison, Del Shannon, Joe Meek, Shadows, Beach Boys, Soul, Phillysoul, Al Green, Bombastrock, Bee Gees, Bowie, Kraftwerk, Buggles, Stray Cats, 50er Rockabilly, Alan Parsons, Klassische Komponisten………….
ELO’s Sound ist nicht der Beatles-Sound. Die Beatles bringen’s einfach nicht für mich, also ist es definitiv was anderes. Zu behaupten, ELO imitiere den BEATLES-Sound müsste die Konsequenz mit sich bringen, dass ich z. B. sage: PINK FLOYD (die mag ich übrigens auch) ist ein Beatles RIPOFF. Dark Side OF THE MOON: Alan Parsons, viele direkt bei Beatles-Alben vorgefundene Riffs, Sun King Harmonien usw. Aber keiner sagt: Beatles in Elektro. Was auch totaler Quatsch ist. Nur bei ELO wird das gemacht. Der beste Beweis, dass ELO einen eigenständigen Sound hat, ist doch der, dass ich immer weiss: it’s them.
Übrigens: was haben denn die Beatles gemacht? Lennon sagte mal, er höre sich Platten seiner Lieblingsmusiker an, und davon ausgehend entstehen dann neue Lieder. Also: bei denen nennt man sowas INNOVATION, bei ELO wird dieselbe Herangehensweise RIPOFF genannt. Es kommt halt auf den Namen an.

– ELO’s Texte sind scheisse. Erstens: Kraftwerks Texte sind totale scheisse, aber genau wie bei ELO lebt diese Musik nicht von den lyrics. Eher ist die Stimme ein zusätzliches Instrument, Klangmalerei. Zweitens: ELO’s Texte sind oft einfach, aber sehr effektiv. Es gibt durchaus sehr interessante ELO-Texte. Drittens: kein ELO-Text ist peinlich. Viertens: nur wenn man einen Text versteht, ist er doch nicht scheisse. wenn irgendein durchgeknallter Musiker mit unverständlichem Nonsense daherkommt, applaudiert die Kritikerfraktion zugleich: grossartig. Und: wenn man ELO wegen der Texte heruntermacht, warum dann nicht die Stones oder Beatles: I am the Walrus, Hello Goodbye yeah, yeah, yeah.

– ELO’s Produktionen seien kitschig-opulent: welcher Idiot hat die Gleichung aufgestellt, dass sparsame Produktion gut und bombastische Produktion schlecht ist. Sowohl organische als auch bombastische Musik hat ihre Berechtigung. Mir persönlich gibt der große Klang allerdings mehr. ELO’s Musik ist irgendwie dreidimensional. Man wird in einen Klangraum transportiert. Es ist fast spirituell, magisch. Und es ist wie ein musikalisches Bild. Alles verschmelzt zu einem harmonischen Ganzen, da ist nicht mehr der Sänger, der ein Liedchen trällert.
Opulente Produktionen können schlecht sein, wenn man damit nur mangelndes Songwriting überspielen will. Im Falle von ELO ist rs aber so, dass Lynne sehr wohl eine musikalische VIsion hat. Wenn man seinen Kopf benutzt, ist grösser eben manchmal doch besser.
Weiter: Hört Euch mal Backing-Tracks von ELO an, die ganzen Details und Studiotricks: auch wenn Ihr das nicht mögen solltet, technisch gesehen ist es brilliant gemacht. Grosse Kunst. Von wegen leichtgewichtiger POP. Ars est celare artem. Oder so ähnlich. Sprich: oberflächlich scheint alles so simpel zu sein. Aber das ist es nicht.

– ELO hätten Discomucke gemacht: erster Fehler: ELO haben nie Discomusik gemacht, lediglich in 2,3 Alben Discoelemente in ihre Musik aufgenommen (wie auch die Stones oder Pink Floyd). Zweitens: ELO haben eine Vielzahl von Stilen abgedeckt, inklusive rauen Rocks a la Stones (aber besser), z.B. MAMAMA BELLE. Jedes Album klingt irgendwie anders. Drittens: Disco ist kein Synonym für Scheisse. Chic waren excellent. Das Problem war, dass in den späten 70ern Disco überhand nahm und sich vor allem Schlagerpop die typischen Discoelemente zueigen machte. Das führte zur Verallgemeinerung, so nach dem Motto: aha, Discobeat: Schlagerliedchen, Seichtpop. Übrigens, nur zur Erinnerung: Disco war ursprünglich auch ’ne Undergroundbewegung. Lynne hat Discoelemente nie nur verarbeitet, um sich der Discowelle anzubiedern, er hat die Stilelemente vielmehr gemocht (und mag sie heute noch) und sie für seine musikalische Version in seinem Sinne gemocht. In brillianter Manier. By the way: die Gleichung kommerziell=Mist ist auch Blödsinn. Wenn heute einer ein Discolied macht, ist es nicht kommerziell. Ist es dann automatisch gut?

– der beste Beweis für ELO’s Seichtigkeit sei der Film XAnadu. So? Jeff Lynne hat den Film nicht gemacht. Die Musik, die er abgeliefert hat, ist exzellent. Ihr macht den Fehler, das Visuelle (die peinlichen Olivia-Tänzchen) auf die Musik zu übertragen. Deswegen meint Ihr, die Musik sei auch seicht. Aber stellt Euch die Musik mal mit Fantasy-bildern vor, und Ihr erkennt Ihre Qualität.

– schließlich: war vielen ELO nicht auch deswegen nicht cool genug, weil es Ihnen eigentlich gar nicht um die Musik ging, sondern nur um ein Image. Als Jugendlicher versucht man seine Persönlichkeit zu definieren, will als Kerl hart, wild und stark
wirken. Da passte natürlich ein wilder Rocker gut dazu, aber nicht der zahme, publikumsscheue Jeff Lynne, der Musik immer nur aus Liebe zur Musik gemacht hat, und nicht wegen Sex, Drugs and Rock ’n Roll. Seit Ihr etwa in diesem Teenagerdenken verwurzelt. Musik als Symbol für die toughe eigene Person. Well, I am in here for the music.

Übrigens: die Heuchlerei vieler sog. ELO-Hasser (die manchmal ELO nur von zwei Liedern kennen) wird auf köstliche Weise entlarvt im Zusammenhang mit dem Auftauchen des ELO-Songs Mr Blue Sky in diversen Trailern. In diversen Internetforen fragen Leute, von wem denn dieser coole Song sei. der klänge frisch, so wie von einer jungen, aufstrebenden Indieband. Andere glauben, David Bowie oder Badfinger zu hören. Und werden dann kleinlaut, als sie razuskriegen, dass es ELO sind (I really doubt that. They are awful.) Hahahahahaha.

Nochmal: ELO sind für mich die Grössten. Und für Einige von Euch wahrscheinlich auch. Nur Ihr seid z.T. zu feige, zu Euch selbst zu stehen, weil Ihr immer darauf guckt, was andere über Euch denken. Hey, wenn es Euer Geschmack ist, ist es Euer Geschmack, basta. der ist nicht besser oder schlechter als der von Kritiker XY. Mein Tipp: seid nicht alle wie die Lemminge. Hinterfragt auch mal manche Dinge. Auf einer anderen Seite meinte einer: im Kindheitsalter ist die grosse Entdeckung die, dass es keinen Nikolaus gibt. Im Erwachsenenalter findet man irgendwann raus, dass ELO ja eigentlich gut sind. Das sagt meiner Meinung nach alles.

PELO.

Wer die weitere Diskussion von damals verfolgen will, kann das in der Verkannte Bands-Rubrik immer noch tun.

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