Re: Pink Floyd – Wish You Were Here

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irrlicht
Nihil

Registriert seit: 08.07.2007

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1. Shine on you crazy diamond (parts.I-V) (**** 1/2)
2. Welcome to the machine (*****)
3. Have a cigar (****)
4. Wish you were here (*****)
5. Shine on you crazy diamond (parts.VI-IX) (****)

Ein Stück Kindheitserinnerung. Denke ich an die ersten Momente, in denen ich Kunst kennenlernen sollte, denke ich an Velvet Undergrounds Bannenplatte, an die schnatternden Becken von King Crimsons kolossalem Debut, an die verwinkelten Welten von Can und an diese, Pink Floys vielleicht meditativste Platte. Es ist fast ein Ding der Unmöglichkeit, diese Platte nach Jahren kritisieren zu wollen, but sleep well verklärende Nostalgie – nach einigen hundert Werken mehr, hat „Wish you were here“, zwar deutlich weniger, als viele andere Veröffentlichungen der Band, auch etwas an Boden eingebüßt und ein paar Schönheitsfehler trüben den Genuß. Es sind gerade diese langsamen, antastenden, feinfühligen Momente wie in den ersten Momenten, diese sphärische Getragenheit, die ich schätze und verinnerlicht habe, wie kaum eine andere; Gilmours Gitarre schlendert wehmütig, füllt den Track mit Farbe und Trauer, es gibt kaum eine Sequenz, die ich so oft gehört habe, wie diese reichlich schlichte Melodie ab der vierten Minute. Danach verliert der Track für mich nach und nach etwas aber zunehmend an Substanz und ich tue mir mit den Gesangsparts eher schwer – das ist ein Gedächtnistrack der guten Sorte, aber doch kommt auch dieser nicht ohne allerlei Pathos aus. Gerade der Refrain wirkt bei aller Innbrunst etwas überladen, zu sauber, man hört hier fast einen Chor mitsingen. Und diese eher routinierte Bläsereinlage hätte es m.E. auch nicht gebraucht, gerade wo Barrett ein großer Genius darin war, den kleinen (nicht den bombastischen) Dingen in der Musik das größte Augenmerk zu schenken.

Der Titelsong klingt dem entgegen weitaus persönlicher, in seiner Schlichtheit und Unaufgeblasenheit ergreifend. Tschaikowsky tönt rauschend durchs Radio – und Gilmour singt hier aufrichtiger, wie in kaum einem anderem Track. Es ist diese Luftigkeit und Anmut, die mich erfreut, die kleinen Klavierklimpereien im Hintergrund und bei Zeilen wie „We’re just two lost souls/Swimming in a fish bowl/Year after year/Running over the same old ground/What have we found?/The same old fears/Wish you were here“, diesem abschließenden Ich wünschte, Du wärst hier kann man sogar Tränchen vergießen, im rechten Moment.

Wunderbar ist für mich aber besonders „Welcome to the machine“, quasi ein verlängerter Arm der Thematik, die schon auf „The dark side of the moon“ ausgebreitet wurde. „Welcome my son, welcome to the machine!“ klingt einfach verstörend nach, auch wenn der Text teilweise ein wenig ulkig ist – allerdings liegt gerade darin der Reiz. Es sind die unpersönlichen, mitunter kryptischen Zeilen, die sich im Halbdunkeln mit den schweren Synthesizern und dröhnenden Maschinengeräuschen vermischen (das passt bestens zum Text!) und dabei auf die allerbeste Weise im Rückblick konfus klingen. Der Sound mag sicherlich etwas betagt sein, aber von seiner beschwörenden Wirkung hat der Song bis heute nichts an Qualität verloren.

Ich mag auch die auftreibende Nummer „Have a cigar“ gerne – auch wenn sie nicht allzu gut im Kontext verankert ist. Mir gefällt gerade dieser leicht spröde Anstrich, die dezente Protzigkeit in Harpers Vortrag, das gibt dem Song Schwung und Dynamik. Und wie teilweise die Worte salvenartig vorangetrieben werden, ist schon köstlich.

Alles in allem: Ein Herzalbum, aber für die Höchwertung will es, so ich nicht eilig wieder die Fanbrille aufsetze, einfach nicht mehr ganz reichen.

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Hold on Magnolia to that great highway moon