Re: Blumfeld – Testament Der Angst

#2561359  | PERMALINK

nail75

Registriert seit: 16.10.2006

Beiträge: 44,836

Sonic Juice
Ärgerlich und peinlich ist eigentlich nur, dass Du Dir anhand eines einzigen Albums von Blumfeld, das ihrer sozusagen nach-klassischen Phase entstammt, ein solches Urteil anmaßt. Zu diesem Zeitpunkt hatte es Distelmeyer schon längst nicht mehr nötig zu beweisen, dass er komplexe, intellektuell aufgeladene Diskurs-Texte schreiben kann. Es ging vielmehr um Entschlackung, Vereinfachung und Verdichtung, ein Ausdruck von komplexen, widersprüchlichen Gefühlen und Zuständen in größtmöglicher Verständlichkeit und Direktheit – ohne Rücksicht auf verbotene Worte oder Genre-Assoziationen („Schlager“).

Wobei es ja schon auf „Old Nobody“ sehr klare und unzweideutige Lieder gibt, beispielsweise „Lied von zwei Menschen“ oder „Kommst Du mit in den Alltag“. Auf „Testament der Angst“ wird das lediglich in noch konsequenterer, durchgängiger Form im Rahmen eines Pop-Albums betrieben.

@irrlicht: Diese verkrampfte Sichtweise gegenüber Deutschland im Sinne einer etwas banalen „Angst vor Deutschland“ findet man leider bei sehr vielen linken deutschen Popbands, so auch bei Tocotronic. Über die Schuldgefühle der deutschen Linken, die natürlich auf dem Holocaust und dem 2. Weltkrieg beruhen und der darauf aufbauenden Ablehnung jeder Form der deutschen Nationalität könnte man endlos schreiben, wichtig ist hier aber nur, dass sich Diestelmeyer als Kind der 1980er erweist (Jahrgang 67) und daher von den Diskursen der damaligen Zeit geprägt ist, die sich genau um diese Fragen drehten. Das ist insgesamt eher harmlos und jedenfalls ungefährlicher als diejenige Form des deutschen Nationalismus, der uns zwei Weltkriege gebracht hat. Insofern sollte man das nicht so wichtig nehmen, besonders relevant ist es ja sowieso nicht mehr.

--

Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.