Re: Toto

#2216671  | PERMALINK

stillstand

Registriert seit: 08.07.2002

Beiträge: 384

Manchmal muss man ein eigenes journalistisches Stückchen in den Raum stellen, um zu erklären, was man meint, und wie man eine Musi empfindet. Also, bevor ich jetzt mit mühsam neu zusammengesuchten Worten erkläre, warum Toto alles andere als seelenlose Studiomucke ist, einfach mal meine Konzertreview vom letztjährigen Karlsruher Konzert. Genauso empfinde ich es auch heute noch, ohne Abstriche. Die Band ist jedenfalls näher am Blues und jedweder ursprüngölicher Musik…. auch improvisierter, jawoll, als viele andere, was hier oft als King and Queen of Naturbelassenheit gehandelt wird.

Toto ist der Alptraum junger Musiker und fast aller Kritiker. Die Musiker möchten nie wieder ein Instrument anfassen, wenn sie die Band live gesehen haben, die Kritiker stricken schon ein Vierteljahrhundert an der Legende, es handle sich um eine Bande von seelenlosen Studiomuckern, die sich ein Vehikel geschaffen haben, um mit schmalzigem Balladenrock die willfährigen Massen abzuzocken. Welch ein Blödsinn. Als die Musiker nach und nach für Studiojobs gebucht wurden, existierte diese Band schon längst als homogene Einheit. Und dass die Hits eine Zeitlang gut ins Radio passten, geschenkt.
Toto spielen live nur wenig radiotaugliches und muten auch einem durchschnittlichen Rockpublikum fast schon zuviel zu, im positiven Sinn. Sie beginnen mit „Goodbye Girl, goodbye“ aus dem Debütalbum. Und präsentieren es in einer völlig veränderten, entschlackten Version, die Bobby Kimball mal als bluesgetränkte Röhre agieren lässt. Rustikale Gitarrenarbeit, und im Hintergrund nur ganz dezente Keyboards, obwohl da zwei Tastenwerker werken. Einer davon ist Greg Phillinganes (u.a. Eric Clapton), der Gründungsmitglied David Paich auf dieser Tour vertritt. Nach zwei Minuten etwa steht der König des Abends in voller Pracht auf der Rampe: der Sound. Filigran bis ins letzte Percussion-Ei, wuchtig wie anfliegende Raumstationen auf der anderen Seite. Die technische Beherrschung des Sporthallenklangkörpers gibt der Musik erst Luft zu Atmen. Nach einigen Portionen Kraftrock komm recht früh „Africa“ zum Zug, mit fünfstimmigem Gesang, und einem schier endlos weitergespielten Groove, der sich in eine athmosphärisch dichte Jam entwickelt. „I can’t Stop Loving You“ von Toto VII zeigt en Detail, worum es bei dieser Musik geht: Eine eingängige Melodie sitzt fest im Sattel eines Arrangements, das mit anregend, aufregend, feuergefährlich, spannend, und ja: innovativ nur ziemlich vage beschreiben ist. Und wieder wechselt Kompaktheit mit verspielten Etüden: Gitarrist Steve Lukather gibt ein kleines akustisches Kammerkonzert im Konzert. Clubatmosphäre kommt auf. Doch nicht bierselige Zustimmung, sondern Respekt ist hier die angemessene Reaktion. Erwartungshaltungen werden selten bedient, und doch vollziehen die rund 2.500 begeisterten Zuhörer Brüche und Farbwechsel mit.
Tempo runter, Lautstärke auch, es regiert der federnde Einschleicher. „Georgy Porgy“ zieht irrlichternd vorbei. „I won’t hold you Back“ kommt völlig neu bearbeitet, und „Rosanna“ so perfekt wie man es kennt. Die Band dehnt die Stücke endlos. Das ist kein Zeitschinden, das ist lustvolles Ausloten und Auskosten. Kämpferisch trotziges Gegengewicht gegen musikalische Verarmung. Das ist Tradition dieser Band, die schließlich unter anderem auch als Gegengift zur Punkwelle gegründet wurde. Sie spielen sich schwindlig, dass es eine Art ist. Beseelt im Breitwandformat. Lukather singt den angerauften Lebemann, Kimball brüllt im Wettbewerb „wie singe ich mein Mikro zu Klump“ in der ersten Reihe mit. „Hold the Line“, auch das kann eine Perle an Dynamik sein, wenn man nur will. Zwei Zugaben werden so abgefeiert, dass man geneigt ist, den Musikern zu glauben, wenn sie mal wieder erzählen, jetzt gerade vorm allerbesten Publikum aller Zeiten zu spielen.

--