Re: Zur Situation der Radio-/Musiklandschaft

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thomlahn

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spiegel-online

spiegel-onlineRadio gaga in Deutschland
Ende des Dudelfunks? Warum werden plötzlich junge deutsche Popbands und interessante internationale Newcomer im Radio gespielt, fragte sich Stefan Krulle und ging der vermeintlichen Qualitäts-Offensive auf den Grund. Seine Bilanz ist ernüchternd.

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Dann aber räkelte man sich am Morgen plötzlich zu Annett Louisans Hit „Das Spiel“ in den Kissen und durfte in den nächsten Monaten weitere freudige Überraschungen erleben. Vorwiegend aus den heimischen Pop-Küchen (Juli, Silbermond, Wir sind Helden), aber auch aus internationaler Produktion (James Blunt) gelangten auf einmal Songs bis in die Prime Time, von denen die NDR-Redakteure noch kürzlich stereotyp behauptet hatten, sie selbst fänden sie zwar auch toll, bloß sie auf ihrem Sender spielen, nein, das könnten sie leider nicht.

Nun aber schien sich, nach dem Versanden der Diskussion über die Radio-Quote, ein Umdenken anzudeuten. Rosita Falke, seit vielen Jahren Radio-Promoterin an der Elbe, hatte dort vor gut 12 Monaten Annett Louisan ins Nachmittags-Programm gehievt – allerdings nicht beim öffentlich-rechtlichen NDR, sondern zunächst beim nicht minder streng durchformatierten Marktführer, dem privaten Radio Hamburg. „Inzwischen aber“, sagt Falke, „gibt es sogar für Bands wie Johnny Liebling, Der Fall Böse, Dorfdisko oder Hund am Strand kleine Chancen, zumindest in den Abend- und Nachtsendungen.“

Grund genug, den Blick dorthin zu wenden, wo nach Meinung vieler Kritiker noch stolze Bastionen des engagierten Radiobetriebs gehalten werden. Also reist man nach Baden-Baden, wo alljährlich an drei Tagen im September das SWR 3 Newpop Festival stattfindet. Seit zwölf Jahren bereits präsentieren die Macher dort, generös vom Sponsor Daimler Chrysler unterstützt, ein ambitioniertes Programm, das ihnen den Ruf eingetragen hat, talentierte Trüffelschweine des Pop zu sein. Ungefähr jeder zweite der im Kurort präsentierten Acts wurde nach seinem Auftritt als Newcomer zur Berühmtheit. Heute etablierte Stars wie Alanis Morissette oder Faithless, Freundeskreis oder Xavier Naidoo spielten hier noch als No-Names.

Auch dieses Jahr traten beim Newpop-Festival wieder Hoffnungsträger ins Rampenlicht: Die schottische Sängerin KT Tunstall, die Londoner Band Athlete, Malis Shootingstars Amadou & Mariam und die schwedischen Caesars. Dass die Neulinge beim Sender aber „lediglich ein paar Wochen vor und ein paar Wochen nach dem Festival gespielt werden“, wie Rosita Falke weiß, kommentiert SWR-Programmchef Bernd Mohrmann mit einem der schon seit Jahren beliebtesten Sätze öffentlich-rechtlicher Radiomacher: „Die Hörgewohnheiten haben sich eben dramatisch verändert.“ Von der aktuellesten, nicht minder dramatischen Veränderung der Hörgewohnheiten haben allerdings immer noch nicht alle Hörfunkredakteure etwas mitbekommen.
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Schuld daran seien die Mechanismen des Formatradios, klagt die Promoterin, „diese nervenden Research-Firmen. Da kriegen irgendwelche Probanden 30 Titel ein paar Sekunden lang vorgespielt und werden dann gefragt, was ihnen am besten gefallen hat. Selbst ich könnte mich dann nur noch für das Bekannte entscheiden. Und bei den Sendern heißt es deshalb weiterhin bei echten Newcomern: Tut uns Leid, schöner Song, aber wir können den nicht spielen.“

.. Fakt indes bleibt, dass es vor knapp 15 Jahren noch Radio-Moderatoren gab, die ihre Sendungen nach eigenem Gusto bestückten, dafür bekannt waren und geliebt wurden – oder auch gehasst. Sie sind verschwunden – und mit ihnen das Radio als Informationsquelle für Musik’begeisterte.

..Und das Radiohören 2005 ist ungefähr so, als tränke man einen mediokren Bordeaux, dem immerhin eine Stunde zum Lüften gegönnt wurde: Er schmeckt etwas besser als gewohnt, aber der Schädel am nächsten Morgen bleibt der gleiche.

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